metastasierter Brustkrebs und seine Symptome


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Lütti
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metastasierter Brustkrebs und seine Symptome

Beitragvon Lütti » Sa 19 Nov 2022 12:31

Hallo zusammen,

ich habe noch nie in Foren aktiv geschrieben. Und doch sitze ich gerade hier im Krankenbett und habe das Bedürfnis mich auf diesem Weg auszutauschen. Kurz zu mir. Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet und habe einen Sohn der jetzt 22 Monate alt ist. Im November 21 bekam ich die Diagnose Brustkrebs. Nach Chemotherapien die leider erfolglos blieben folgte die brusterhaltende OP und Entfernung von 25 betroffenen Lymphknoten in der Axillar. Strahlentherapie im Anschluss und eine Tablettenchemo mit Capecitabine sollte das Risiko von Metastasen verringern. Leider erfolglos. Inzwischen ist mein Körper voll von Metastasen. Lunge, Bauchfell, Weichteile und Knochen sind befallen. Ich liege aktuell zur Schmerzmitteleinstellung auf einer Palliativstatio.

Wieso schreibe ich hier?! Weil ich wissen möchte wie Menschen die ähnliches oder gleiches durchleben müssen damit umgehen, wie sie die Nebenwirkungen bekämpfen, wie sie zum Leben stehen, wie ihre Familien damit umgehen...... Usw. Weil ich einfach das Gefühl haben möchte verstanden zu werden. Denn aktuell möchte natürlich jeder sein Mitgefühl ausdrücken, mir helfen, eine Stütze sein. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Aber verstehe was in mir los ist kann man glaube ich nur, wenn man selber so eine Situation durchlebt oder durchlebt hat. Oder was meint ihr?
Meine Lebenserwartung ist leider nicht mehr sehr lang und ich werde täglich schlapper. Aber ich weiss nicht was bzw. Wie ich mich gerade damit fühle?! Kennt ihr das? Ich kann nicht weinen, fühle mich verantwortlich noch alles zu klären, was ich im Vorfeld klären kann. Ich genieße die Zeit mit meinem Sohn und meinem Mann, und bin dennoch auch froh über Ruhe..... Ich kenne mich nicht, so wie ich gerade bin.
Ich würde mich freuen mal eure Geschichten und die Emotionen, Gefühle, Ängste dahinter zu lesen. Ich wäre so dankbar über einen Austausch.

Liebe Grüße

Ladina
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Re: metastasierter Brustkrebs und seine Symptome

Beitragvon Ladina » So 27 Nov 2022 11:39

Liebe Lütti

Ich habe Deinen Beitrag gelesen und konnte alles so gut verstehen, Das, was Du schreibst beschreibt genau diesen Zustand vom "Hin-und Her gerissen werden", ohne dass Du selber die Wahl hast zu sagen, auf welche Seite du gefühlsmässig möchtest. Es passiert einfach und Du bist ständig am Ausbalancieren. Wir alle suchen das Gleichgewicht, brauchen es förmlich um stabil zu bleiben - körperlich, aber auch seelisch.
Ich kenne das aus eigener Erfahrung, mit einer anderen Krebserkrankung allerdings - einst auch mit vielen Lungen- und einer solitären Knochenmetastase, die ihrerseits aber heftige Schmerzen bereitete. Das Morphin, das ich nicht vertragen habe, das mir Todesängste in die Seele brachte, die ich ohnehin schon irgendwie hatte, obwohl ich mir immer sagte, das brauchst Du nicht. Ich habe meinen Freund sterben sehen und viele andere Mitpatienten. Die meisten schienen friedlich zu gehen.
Deine Prognose mit den vielen Metastasen beengt - ich hatte nicht so viele, aber ich kann es nachfühlen - jede Metastase ist eine zuviel und wenn es dann noch Schmerzen gibt, ist es arg.

Leider bin ich heute kurz vor der Abreise zu einer Einladung und habe nicht genügend Zeit, Dir so zu antworten, wie ich das möchte. Aber ich komme wieder.

Spontan ist mir bei Deinen Zeilen ein Gedicht von mir aus jener Zeit eingefallen.

Kleine Energie-Spur
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°


Zuviel Energie spüre ich noch in mir
mich einfach hinzulegen und zu sterben
mich aufzugeben, meinen Träumen abzusagen.
Doch zuwenig Energie spür’ ich in mir
um vital zu sein, um mich ins Leben zu stürzen
um an eine kraftvolle Zukunft zu denken
um meine Träume zu leben-
Zuviel zum Sterben
zu wenig zum Richtig (Auf-) Leben
doch wahrscheinlich
gerade genug
um der Gegenwart Sinn zu geben.

Ladina, Januar 1999

Es könnte Deinen "Zustand" evtl. beschreiben. Ich habe meiner Gegenwart damals "Sinn" gegeben mit Entspannungsübungen, aber auch mit dem Improvisieren oder Gefühle ausdrücken auf dem Keybord, mit kleinen Gedankenspaziergängen an schöne Orte, wo ich mal war oder zu Menschen, die ich liebte - auch zu Tieren.

Vielleicht hast auch Du das Bedürfnis, etwas da zu lassen für Deinen Kleinen - für später. Dazu gibt es heute ein wundervolles Projekt: https://www.deutschlandfunkkultur.de/ho ... d-100.html
Du kannst, wann immer du magst, etwas aufsprechen - Pause machen, wenn Du es brauchst -und weitermachen, Tag oder Nacht.

Natürlich gibt es auch zahlreiche Bücher von Menschen, die in einer ähnlichen Situation wie Du waren - ich bin ja hier im Forum auch die Buchfee.
Es gibt, gerade auch von Menschen, die sich aufs Sterben vorbereiten, unendlich tröstende Bücher.
Was mich für Dich freut im Moment ist, dass Du in einem Hospiz sein kannst - ein Ort, wo man auch auf Deine Gefühlswelt eingehen kann und möchte. Das ist ganz anders als in einem Spital.

Und ja, die Angehörigen - sie wollen das Beste, halte Dir das immer vor Augen. Aber manchmal ist schwer, man spürt, dass Sie Anteil nehmen möchten, aber es nicht so können mangels Erfahrungen. Es ist schwer, vor allem bei jenen, die sich aufdrängen - zu sagen - das wird mir alles zuviel, bitte geh. Man möchte niemanden vor den Kopf stossen, wir Frauen sind dazu erzogen, immer freundlich zu sein. Ein Mann könnte viel eher mal jemand anblaffen.
Aber Dir rennt möglicherweise die Zeit davon, das gibt das Privileg, dass Du vollumfänglich für DICH einstehen darfst. Du musst nicht mehr für andere - ausser für Dein Kind (und da ist es kein Müssen, sondern ein Wollen)

Ich weiss nicht, obs passt, doch recht viele Personen haben schon auf meine Gedichte zurückgegriffen, um ihren Angehörigen ihre eigenen Gefühle zu schildern - da sie fanden, ein Gedicht von mir sagte genau das aus, was sie selber so nicht hätten formulieren können. Sie sind leider, bis auf einige Ausnahmen, noch nicht nach Themen sortiert
viewtopic.php?f=32&t=166
Bitte nicht ausdrucken, jemand hat das mal gemacht, der Drucker fing an zu rauchen - es gibt, wenn ichs recht im Kopf habe über 500 Seiten.

Ich hoffe, es melden sich noch andere, denn mit Deinen Erfahrungen bist du gewiss nicht die einzige - vielen geht es so, aber nicht alle können so gut schreiben.
Das Schreiben, für mich war es ein Ventil, das Schlimme zu sagen und das Schöne zu feiern.

Ich wünsche Dir heute einen Tag, von dem Du später träumen kannst

Mit herzlichem Gruss

Ladina


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