2020 - Juristische, Sozialversicherungsfragen


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2020 - Juristische, Sozialversicherungsfragen

Beitragvon admin » Mo 27 Jan 2020 11:30

Haben Sie juristische, Sozialversicherungsfragen in Zusammenhang mit Krebs? Zwei Experten, Frau Patricia Müller, Fachspezialistin Rechtliche Beratung bei der Krebsliga Schweiz und Herr Yves Hochuli, Jurist und stellvertretender Direktor der Krebsliga Waadt, freuen sich auf die Beantwortung Ihrer Fragen, die sie vom 20. Januar bis Ende Februar 2020 schriftlich stellen können.

Auf der
Startseite des Forums finden Sie mehr Informationen sowie den Link zum Formular.

Diese Antworten sind eine allgemeine Stellungnahme. Sie können nicht die persönliche Beratung durch eine qualifizierte medizinische Fachperson ersetzen. Soweit in einem Beitrag bestimmte Ärzte, Ärztinnen, Behandlungseinrichtungen oder Produkte genannt werden, dient dies nicht der Werbung oder stellt eine Empfehlung dar, sondern ist lediglich als Hinweis auf weitere Informationsquellen zu verstehen.

Einige Fragen und Antworten wurden in eine andere Landessprache übersetzt. Sollten Fragen oder Unklarheiten auftreten, wenden Sie sich bitte an die Fachberaterinnen vom Krebstelefon. Kostenlose Telefonnummer 0800 11 88 11 oder per E-Mail an helpline@krebsliga.ch



An dieser Stelle werden Ihre Fragen und die Antworten von unseren ExpertInnen, laufend bis Anfang März aufgeschaltet werden.

Freundlich grüssen die Moderatorinnen

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Warten auf IV-Entscheid

Beitragvon admin » Do 30 Jan 2020 15:33

Frage von Meimar 59:
Guten Tag werte Damen, werte Herren
Meine Frau arbeitete bis November 2018 vor ihrer Diagnose Krebs 80%. Nun nach einem Jahr wurde ihr Gehalt um 20% gekürzt. Sie wurde während des ganzen Jahres 2019 durch einen Mitarbeiter der IV begleitet. Der IV Mitarbeiter hat zwecks nicht Eingliederung (gemäss Arbeitgeber kann sie am jetzigen Arbeitsplatz weiter arbeiten) sein Mandat Jahr abgegeben und den Antrag auf Teil- Vollrente intern weitergeleitet. Wie sollen, müssen wir uns nun verhalten? Warten bis ein Entscheid der IV kommt? Oder via Arbeitgeber oder Krankenkasse uns melden, Krankenversichert ist sie bei der ÖKK. Im Moment arbeitet sie 2 Tage in der Woche sprich 50% von den im Arbeitsvertrag abgemachten 80%.
Mit freundlichen Grüssen. Meimar 59

Antwort von Patricia Müller:
Guten Tag Meimar 59
Ihre Frau hat bis zur Krebsdiagnose 80% gearbeitet. Die IV hat sie bei der Wiedereingliederung in den bisherigen Arbeitsplatz während eines Jahres unterstützt. Ihre Frau kann nun 40% arbeiten. Die IV prüft, ob ihr eine Rente zugesprochen werden kann.
Das Gehalt Ihrer Frau wurde nach einem Jahr um 20% gekürzt.

Sie erkundigen Sich nun, ob Sie und Ihre Frau einfach auf den IV-Entscheid warten müssen oder ob Sie sich beim Arbeitgeber oder bei der Krankenkasse melden müssen.

Das Warten auf den IV-Entscheid ist sehr mühsam. Ihre Frage, ob Sie in dieser Zeit etwas unternehmen können, um das IV-Verfahren zu unterstützen und nach Möglichkeit zu beschleunigen ist sehr gut.

Ihre Ehefrau und deren Arbeitgeber haben bisher mit der IV-Stelle zusammengearbeitet. Die IV-Stelle wird sich möglicherweise im weiteren Verfahren beim Arbeitgeber Ihrer Frau erkundigen, wie Ihre Frau ihre Arbeitsleistung erbringen kann. Ihre Frau kann ohne weiteres nachfragen, ob der Arbeitgeber seinerseits neue Informationen zum IV-Verfahren geben kann. Änderungen der beruflichen Situation müssen der IV gemeldet werden.

Auch bei der IV-Stelle selbst kann sich Ihre Ehefrau telefonisch oder schriftlich erkundigen, wie weit das Verfahren gediehen ist und ob allenfalls Dokumente nachgereicht werden können. Wichtig ist, dass die IV-Stelle über gesundheitliche Veränderungen rechtzeitig informiert wird. Ihre Frau sollte in einem solchen Fall den behandelnden Arzt bitten, einen Arztbericht zu verfassen. Auch eine geänderte familiäre Situation, beispielsweise die Geburt eines Kindes, muss gemeldet werden.

Da Ihre Frau ihr Arbeitspensum aus gesundheitlichen Gründen um 40% reduzieren musste, könnte die IV ihr eine Rente aussprechen. Für eine ¼ -IV-Rente müsste ein Invaliditätsgrad von mindestens 40% ausgewiesen werden. Für eine Chanceneinschätzung können Sie sich an die Rechtsberatungsstellen von Inclusion Handicap oder Procap wenden. Die Beratenden der kantonalen und regionalen Krebsligen können Ihnen und Ihre Frau wertvolle, auf Ihre persönliche Situation abgestimmte Informationen zukommen lassen.

Im ersten Jahr nach der Diagnose erhielt Ihre Ehefrau noch den vollen Lohn und nach einem Jahr wurde die Zahlung auf 80% gekürzt. Die Dauer und die Höhe der Lohnfortzahlung bzw. des Krankentaggeldes sind je nach Arbeitgeber unterschiedlich geregelt. Eine Kürzung auf 80% des Lohnes ist üblich. Meist wird ein Krankentaggeld während zwei Jahren ausbezahlt.
Falls Sie unsicher sind, ob Ihre Frau noch ein Krankentaggeld zugute hat, ist es sinnvoll, wenn Ihre Frau bei ihrem Arbeitgeber nachfragt und sich allenfalls die Unterlagen zur Versicherung mitgeben lässt.

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Arbeit + Pflege unter einem Hut bekommen

Beitragvon admin » Mi 12 Feb 2020 11:32

Frage von Sunshine25:
Mein Mann leidet unter Krebs. Ich möchte so viel wie möglich für ihn da sein und ihn unterstützen (ins Spital fahren, bei wichtigen Terminen anwesend sein und auch zuhause für ihn da sein). Ich arbeite 100% und es ist sehr schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Zurzeit muss ich bei der Arbeit Ferien/Überzeit dafür hergeben und ich merke, dass mich die ganze Situation seelisch wie auch körperlich sehr belastet. Welche Optionen habe ich? Gibt es dafür Zeit (Betreuung Angehörige – ist in unserem Arbeitsvertrag nicht spezifisch geregelt) welche ich vom Arbeitgeber einfordern kann oder soll ich mich selbst evt auch krankschreiben lassen (je nach dem einfach Teilzeit)? Wie handhaben das andere Angehörige?
Vielen Dank schon mal im Voraus.

Antwort von Patricia Müller:
Guten Tag Sunshine25
Es ist für Sie sehr schwierig gleichzeitig 100% zu arbeiten und Ihren erkrankten Ehemann zu Untersuchungen zu begleiten und ihm auch Zuhause die nötige Unterstützung zu geben.

Sie müssen gleichzeitig Ihren Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag und Ihren sozialen Verpflichtungen nachkommen. Dies führt zu einer Doppelbelastung.

Unter gewissen Voraussetzungen haben Sie einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung und Lohnfortzahlung. Bei der Festlegung von Ferien und Freizeit, von Arbeits- und Ruhezeiten muss auf Ihre familiäre Situation Rücksicht genommen werden.

Art. 324a OR hält fest, dass ein Arbeitnehmer, der wegen der Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht nicht arbeiten kann, während einer gewissen Zeit seinen Lohn weiter erhält. Da Sie gesetzlich verpflichtet sind, Ihrem Ehemann beizustehen, können Sie sich auf diesen Gesetzesartikel berufen. Aber es gibt keine klaren Definitionen, welche konkreten Handlungen von Ihnen als Ehefrau verlangt werden und welche arbeitsrechtlichen Ansprüche sich daraus ergeben. Das heisst, dass in jedem Einzelfall abgeklärt werden muss, wie lange Sie bei Ihrem Ehemann bleiben dürfen und ob Sie – trotz Abwesenheit – Ihren vollen Lohn erhalten. Voraussetzung für eine Lohnfortzahlung ist, dass keine Drittbetreuung möglich oder zumutbar ist.

Frühestens im Januar 2021 wird das neue Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege in Kraft treten, welches die Lohnfortzahlung bei kurzen Arbeitsabwesenheiten regeln wird.

Manche pflegende Angehörige erkranken auf Grund der hohen Belastung. Diese Erkrankung kann negative Auswirkungen auf die berufliche Laufbahn haben. Eine lange Arbeitsunfähigkeit muss unter Umständen im Arbeitszeugnis aufgeführt werden.

Prüfen Sie, wie Sie im Krankheitsfall versichert sind. Nicht alle Arbeitnehmer haben eine Krankentaggeldversicherung.

Die Krankentaggeldversicherung Ihres Arbeitgebers kann überprüfen, ob tatsächlich eine psychische Erkrankung vorliegt. Die Versicherung möchte kein Krankentaggeld ausrichten, für Personen, die an und für sich gesund sind, aber ihre Angehörigen betreuen müssen. Sie müssten daher damit rechnen, dass ein Vertrauensarzt der Versicherung Ihren Gesundheitszustand überprüft.

Ihr Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Ihnen eine Teilzeitstelle anzubieten, falls Sie nicht mehr 100% arbeiten möchten. Auf Grund seiner Fürsorgepflicht Ihnen gegenüber muss er nur prüfen, ob er die Möglichkeit hat, Ihnen ein kleineres Pensum anbieten zu können. Die Lohnkürzung müssten Sie selbst tragen.

Es gibt keine Patentlösung. Solange Sie mit Ihrem Arbeitgeber vereinbaren können, wie Sie Ihre Arbeitszeit den Bedürfnissen Ihres erkrankten Ehemannes anpassen können, ist dies vermutlich die beste Lösung. Prüfen Sie, ob allenfalls Freunde oder Verwandte Sie entlasten können.

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Stelle belastender als Diagnose

Beitragvon admin » Mi 12 Feb 2020 11:46

Frage von survive62:
Guten Tag
Meine Arbeitsstelle hat sich in dem letzten Jahren sehr negatv verändert. 8 Jahre nach meiner Erstdiagnose geht es mir organisch recht gut, psychisch jedoch zunehmend schlechter
- trotz sehr gutem privatem Umfeld und psychologisch-seelsorgerischer Unterstützung.
Diese Stelle ist für mich belastender als meine Diagnose. Ich finde keine neue Stelle und sehe keine Möglichkeit zur Frühpensionierung. Haben Sie einen Rat?
Besten Dank & freundliche Grüsse

Antwort von Patricia Müller:
Guten Tag survive62
Sie haben sich gut von der Krebsdiagnose erholt, aber Ihre Arbeit wird zunehmend zu einer grossen Belastung. Trotz psychologisch-seelsorgerische Unterstützung geht es Ihnen zunehmend schlechter. Sie erkundigen sich, welches Ihre Möglichkeiten sind.

Ihr Arbeitgeber muss auf Grund seiner Fürsorgepflicht die Arbeit so gestalten, dass Sie gesund bleiben können. Das juristisch korrekte Vorgehen sieht vor, dass Sie mit Ihrem Arbeitgeber das Gespräch suchen und ihn um eine Änderung zu Ihren Gunsten bitten. Falls Sie ihm mitteilen, dass Sie auf Grund der Belastung am Arbeitsplatz in medizinischer Behandlung sind, ist er verpflichtet, Massnahmen zu Ihrer Entlastung zu ergreifen. Unterlässt er dies über eine längere Zeit, so wird er schadensersatzpflichtig, wenn Sie beispielsweise ein Burnout erleiden.

Möglicherweise gibt es in Ihrem Betrieb eine interne Stelle wie beispielsweise eine Personalkommission, an die Sie sich ebenfalls wenden können. Lesen Sie die internen Richtlinien Ihres Betriebes; möglicherweise wird ein Vorgehen festgeschrieben, welches von Ihren Vorgesetzten eingehalten werden muss. Studieren Sie Ihren Arbeitsvertrag und, falls Sie in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis sind, das Personalgesetz und die Personalverordnungen.

Überlegen Sie sich, ob es Ihnen in einer anderen Abteilung in Ihrem Betrieb besser gefallen würde und ob eine Versetzung möglich ist.

Manchmal ist es aber leider so, dass ein Gespräch nicht den gewünschten Erfolg bringt und sich das Verhältnis weiter verschlechtert oder das Arbeitsverhältnis gar beendet werden muss, um Ihre Gesundheit zu schützen.

Sie können Ihre Bewerbungsunterlagen und Ihre Bewerbungsstrategie von einer darauf spezialisierten Stelle überprüfen lassen. Ihre frühere Erkrankung, welche keinen Einfluss mehr hat auf Ihre Arbeitsleistung, müssen Sie weder in der Bewerbung noch im Vorstellungsgespräch erwähnen.

Die Entscheidung, ob Sie trotz des Gesundheitsrisikos an der heutigen Arbeitsstelle bleiben wollen oder von sich aus kündigen wollen, kann Ihnen niemand abnehmen. Wenn Ihnen nicht zugemutet werden kann, am Arbeitsplatz zu verbleiben, wird Ihnen die Arbeitslosenversicherung die Taggelder, trotz Ihrer Kündigung, nicht kürzen (sogenannte Einstelltage). Wichtig ist, dass Sie mit Ihrer Ärztin vor der Kündigung über Ihre Schwierigkeiten am Arbeitsplatz sprechen und diese Ihnen schriftlich bestätigt, dass es Ihnen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, weiterhin diese Arbeit bei diesem Arbeitgeber zu verrichten.
Ich wünsche Ihnen Mut und Kraft um die nötigen Schritte einzuleiten

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Arbeit reduzieren ohne Lohneinbusse

Beitragvon admin » Mo 24 Feb 2020 16:00

Frage von STARKEHOFFNUNG:
Guten Tag,
Vor 5 Jahren hatte ich mit 51 Jahren einen Tumor in der Brust, und ihn operiert. Die Lymphknoten waren nicht befallen, ich habe eine Strahlentherapie ca. 6 Wochen gemacht. Seither nehme ich Tamoxifen. Ich habe seit Beginn: Wallungen, Müdigkeit, Schmerzen in Gelenken und Muskeln, Schlaflosigkeit. Diese Symptome nehmen zu. Das Tamoxifen werde ich länger als 5 Jahre nehmen, rät das Brustzentrum. Ich war Sportlerin und kann jetzt am Abend nach der Arbeit (80% Pensum) nichts mehr machen, da ich sehr erschöpft bin. Dies zerrt an meinen psychischen Kräften. Eine Lösung wäre eine Reduktion der Arbeit. Nach der OP war eine IV Abklärung kein Thema. Gibt es jetzt eine Möglichkeit die Arbeit ohne Lohneinbusse zu reduzieren?

Antwort von Patricia Müller:
Guten Tag
Danke für Ihre Anfrage.
Sie sind vor 5 Jahren an einem Brusttumor erkrankt und werden zur Zeit noch mit Tamoxifen behandelt. Sie arbeiten in einem 80%-Pensum und bemerken, dass Sie am Feierabend keine Kraft mehr haben, um etwas zu unternehmen. Sie überlegen sich daher, Ihr Arbeitspensum weiter zu reduzieren, aber Sie möchten nach Möglichkeit keine Lohneinbusse erleiden.

Eine Rente der Invalidenversicherung würde eine allfällige Lohneinbusse wenigstens zum Teil ausgleichen.
Aber die Invalidenversicherung berücksichtigt nur Leistungseinschränkungen, die sich
eindeutig am Arbeitsplatz bemerkbar machen und die sich zudem klar auf ein gesundheitliches Leiden zurückführen lassen. Solange Sie Ihre Arbeit ausführen können, Ihre Energielosigkeit sich (noch) nicht auf Ihre Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz auswirkt, erfüllen Sie die rechtlichen Voraussetzung zum Bezug einer Teilrente der Invalidenversicherung nicht. Die Invalidenversicherung würde allenfalls unterstützend wirken, wenn Sie überzeugend darlegen könnten, dass sich in naher Zukunft Ihre Leistungsfähigkeit dermassen verschlechtern wird, dass Sie Ihre Arbeit nicht mehr wie gewohnt ausführen könnten, also eine Invalidität droht.

Es ist nicht einfach, die Invalidenversicherung zu überzeugen. Sie würde nachfragen, ob am Arbeitsplatz bereits Rücksicht auf Ihren Gesundheitszustand genommen wird. Auch würde die IV von Ihrem Arbeitgeber wissen wollen, ob bereits eine Leistungseinschränkung besteht, Sie beispielsweise mehr Fehler machen als früher oder er Ihnen bereits nicht mehr alle Arbeiten übertragen kann. Die IV würde sich dafür einsetzen, dass Ihr Arbeitsplatz so gestaltet wird, dass Sie weiterhin arbeiten können.

Eine IV-(Teil-)Rente würde erst ausgesprochen, wenn alle medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und wenn sich Ihr Gesundheitszustand soweit verschlechtert hat, dass Sie mindestens während eines Jahres 40% invalid sind. Ihren schlechten Gesundheitszustand müssten Sie mit Arztberichten, beispielsweise Ihrer Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, belegen. Ihre Ärztin müsste darlegen, auf welcher Diagnose die Erschöpfung beruht und welche Behandlungen nicht zum erwünschten Erfolg geführt haben. Sie könnte Ihnen beispielsweise eine Cancer-Related Fatigue diagnostizieren und darlegen, welche Medikamente anstelle von Tamoxifen verschrieben wurden, um die Müdigkeit zu verringern.
Sie wären vermutlich bereits in einer psycho-onkologischen Behandlung und Ihre Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie würde ebenfalls einen Bericht erstellen.
Sie müssten darlegen, an welchen Bewegungsprogrammen Sie teilgenommen haben; und dass diese Ihre Leistungsmöglichkeiten leider nicht verbessert haben.

Wenn Sie sich Sorgen um Ihre Gesundheit machen, empfehle ich Ihnen, darüber mit Ihren Ärzten zu sprechen und der Ursache der Kraftlosigkeit auf den Grund zu gehen. Fragen Sie, ob Ihre Müdigkeit eine Nebenwirkung von Tamoxifen sein könnte und ob es allenfalls ein anderes Präparat gibt, welches für Sie besser geeignet ist. Erkundigen Sie sich, welche Therapien Sie unterstützen könnten. Hilfreich könnte Ihnen auch die Broschüre: «Rundum müde» der Krebsliga Schweiz sein.

Falls Sie tatsächlich Ihr Arbeitspensum aus gesundheitlichen Gründen reduzieren wollen, so ist es wichtig, dass ein Facharzt Ihnen die Reduktion empfiehlt. Verlangen Sie einen schriftlichen Bericht Ihres Arztes, in dem er eindeutig festhält, dass er Ihnen eine Kürzung Ihres Arbeitspensums aus gesundheitlichen Gründen ans Herz legt. So könnten Sie in einem späteren IV-Verfahren beweisen, dass Sie nicht aus anderen Gründen Ihr Pensum reduziert haben. Informieren Sie auch Ihren Arbeitgeber über den Grund der Reduktion und stellen Sie sicher, dass Sie dies beweisen können. Anderenfalls wird die Invalidenversicherung davon ausgehen, dass Sie aus privaten Gründen, z.B. um mehr Sport treiben zu können, Ihre Arbeit reduzieren. Diese Unterscheidung hat für die Berechnung des IV-Grades und für die Höhe der Rente eine grosse Bedeutung.

Vielleicht besteht die Möglichkeit, Ihre Arbeitslast innerhalb des 80%-Pensums etwas zu reduzieren. Es gibt Arbeitgeber, die sehr verständnisvoll reagieren, wenn sie erfahren, wie anstrengend die Arbeit geworden ist.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich gut erholen und Ihren Feierabend wieder geniessen können und dass Sie die nötige ärztliche Unterstützung erhalten.

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Krebs, Ausbildung, Abwesenheit

Beitragvon admin » Di 25 Feb 2020 14:53

Frage von Jean-Pierre:

Guten Tag

Mein Name ist Jean-Pierre und ich bin 33 Jahre alt. Bei mir wurde im November 2019 Schilddrüsenkrebs mit befallenen Lymphknoten am Hals und im Mediastinum diagnostiziert. Am 13. Dezember 2019 habe ich mich einer grösseren Operation von 11 Stunden und 20 Minuten unterzogen. Seitdem befinde ich mich immer noch in der Phase der Genesung. Im März werde ich dann erneut ins Spital für eine Strahlentherapie gehen müssen. Ich bin ein wenig besorgt, denn ich mache derzeit eine dreijährige Ausbildung zum Landwirt. Die Schule über meine gesundheitlichen Probleme und meine Abwesenheit auf unbestimmte Dauer zu informieren, war kein Problem. Ich nehme weiterhin von zu Hause am Unterricht teil, und die praktischen Kurse und Prüfungen kann ich im nächsten Jahr (in meinem letzten Jahr) nachholen, da ich mich im 2. Ausbildungsjahr befinde. Ich befürchte jedoch, dass man mir dieses 2. Ausbildungsjahr nicht anerkennen wird, unter dem Vorwand, dass ich zu viele Unterrichts- bzw. praktische Ausbildungstage verpasst hätte, obwohl ich sie von zu Hause verfolge, meine Hausaufgaben abliefere und im Prinzip alles nachgeholt werden kann. Hätte die Schule grundsätzlich das Recht dazu, mir das zweite Jahr nicht anzuerkennen, auch wenn sie mir ursprünglich gesagt haben, dass ich alles auch im letzten Jahr absolvieren kann? Ich hätte noch eine Frage: Wir müssen unsere dreijährige Ausbildung in drei verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben absolvieren; nun möchte ich mir einen Betrieb für mein letztes Jahr suchen. Muss ich in diesen Bewerbungsgesprächen meine Krankheit erwähnen?

Vielen Dank für Ihre Antworten, beste Grüsse!

Antwort von Yves Hochuli:
Guten Tag

Art. 21 Abs. 3 des Berufsbildungsgesetzes sieht vor, dass «der Besuch der Berufsfachschule obligatorisch ist». Laut Ihrer Beschreibung und den Ihnen mitgeteilten Informationen scheint die Schule damit einverstanden zu sein, Ihr Jahr trotz Ihrer Abwesenheit vom Unterricht anzuerkennen. Auch wenn es recht unwahrscheinlich erscheinen mag, kann ich dennoch nicht völlig ausschliessen, dass Ihnen Ihr Ausbildungsjahr am Ende doch nicht anerkannt werden wird, da Sie nicht am Unterricht der Berufsschule teilgenommen haben. Ich empfehle Ihnen daher, sich dies von Ihrer Schule bzw. auch der zuständigen kantonalen Behörde schriftlich bestätigen zu lassen.

Grundsätzlich sind Sie verpflichtet, alle Fragen, die sich auf die Stelle beziehen, auf die Sie sich bewerben, wahrheitsgetreu und ehrlich zu beantworten. Gesundheitsinformationen sind jedoch sensible private Daten. Sie sind daher nicht verpflichtet, Ihre Krankheit zu erwähnen, es sei denn, sie beeinträchtigt Ihre Arbeitsfähigkeit und hindert Sie an der Erfüllung der Ihnen übertragenen Aufgaben.
Das korrekte Arbeitszeugnis könnte auch noch von Interesse sein.

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Arbeitsunfähigkeit - zwei Arbeitgeber

Beitragvon admin » Mi 26 Feb 2020 11:33

Frage von Marcel:
Guten Tag
Ich habe zwei Arbeitgeber à je 50%. Kann ich vom Arzt für einen Arbeitgeber ein Zeugnis für 100% Arbeitsunfähigkeit bekommen, weil die Arbeit sehr viel Konzentration und Muskelkraft braucht. Und beim anderen Arbeitgeber 50% Arbeitsunfähig geschrieben werden, weil meine Arbeit körperlich nicht anstrengend ist. Muss ich beide über diese spezielle Situation informieren?
Danke und freundliche Grüsse,
Marcel


Antwort von Patricia Müller:
Guten Tag
Sie haben zwei Arbeitgeber und arbeiten bei jedem 50%. Die eine Arbeitsstelle stellt hohe Anforderungen an die Muskelkraft und die Konzentration. Die andere Arbeitsstelle ist körperlich nicht anstrengend.
Sie möchten gerne wissen, ob es möglich ist, dass Sie Ihnen ein Arzt bei einem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit von 100% und beim anderen Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit von 50% attestiert.
Weiter möchten Sie gerne wissen, ob Sie gegenüber Ihren Arbeitgebern eine Informationspflicht bezüglich der anderen Arbeitsstelle haben.

Da Ihre beiden Arbeitsstellen andere Anforderungen an Sie stellen, ist es gut möglich, dass Ihre Arbeitsfähigkeit an den beiden Stellen anders beurteilt wird.

Ihr Arzt muss abklären, in welchem Mass Sie Ihre bisherigen Tätigkeiten an beiden Arbeitsstellen zur Zeit ausüben können. Das setzt eine genaue Kenntnis Ihrer Arbeit voraus. Der Arzt muss zudem wissen, wie sich Ihre gesundheitliche Beeinträchtigung auf die jeweilige Tätigkeit auswirkt. Entscheidend ist die konkrete Einsatzfähigkeit im Betrieb. Die Auswirkung Ihrer Beeinträchtigung muss Ihr Arzt für jedes Arbeitsverhältnis gesondert prüfen und durch ein Arztzeugnis belegen.
Um Unklarheiten zu vermeiden, soll das Arztzeugnis zudem festhalten, welche Arbeiten betroffen sind, seit wann die Arbeitsunfähigkeit besteht und wie lange sie dauern wird. D.h. entweder ein Enddatum oder andernfalls die Anmerkung «bis auf Weiteres» unter Angabe eines nächsten Arzttermins.

Solange Ihr Arbeitgeber, bei dem Sie 100% Arbeitsunfähigkeit attestiert erhalten, Ihnen keine Arbeit anbietet, die der Arbeit des andern Arbeitgebers entspricht, gibt es keine Schwierigkeiten.

Falls ein Arbeitnehmer beispielsweise bei der einen Arbeitsstelle schwere Lasten tragen muss (Zügelunternehmen) und bei der anderen Arbeitsstelle Rechnungen schreiben muss (Treuhandbüro), so ist es leicht möglich, dass der Arbeitnehmer bei einer Schulterverletzung beim Zügelunternehmer 100% arbeitsunfähig ist, aber im Büro nur 50% arbeitsunfähig.

Der Arbeitgeber darf beim Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit wissen, ab Sie ganz oder teilweise arbeitsunfähig sind, und bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit, welche Arbeiten Sie noch verrichten können. Auch muss er wissen, ob ein Unfall oder eine Krankheit vorliegt.

Ich empfehle Ihnen im Gespräch mit Ihrem Arzt gut zu klären, ob tatsächlich eine teilweise Arbeitsfähigkeit vorliegt und wie die Formulierung im Arztzeugnis bzw. in den Arztzeugnissen lautet. Auch ob Sie, falls Sie 100% bei der Arbeitsstelle angestellt wären mit der leichteren Arbeit, tatsächlich 50% arbeitsfähig wären.

Ich hoffe, diese Angaben sind für Sie nützlich.

Freundliche Grüsse
Patricia Müller


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