Mutter will nicht loslassen


Moderations-Bereich
Woolmark
Beiträge: 3
Registriert: Mi 30 Mär 2016 20:05
Wohnort: Zürich

Mutter will nicht loslassen

Beitragvon Woolmark » Mi 30 Mär 2016 20:52

Hallo,
ich muss hier auch ein bisschen weiter ausholen, um meine Situation bzw, die Situation meiner Mutter zu erläutern.
Meine Mutter hatte vor 8 Jahren einen sehr schweren Schlaganfall und wurde so zu einem Pflegefall, lebt seitdem im Pflegeheim und sass im Rollstuhl und war halbseitig komplett gelähmt. Sie konnte sich aber irgendwie mit der Situation arrangieren.
2011 kam dann die Diagnose Darmkrebs, der Tumor wurde entfernt, es gab eine kurze Bestrahlung und dann wurde sie als geheilt entlassen. Zurück behalten hatte sie ein Stoma.
Vor 2 Jahren dann wieder ein Tumor (Rezidiv), diesmal an der Niere, so wurde in einer grossen OP eine Niere entfernt. Dann wurde eine recht aggressive Chemo gestartet. Nach der 4. Behandlung hat es sie umgehauen, sie kam auf die Intensivstation, dort war es schon sehr knapp. Aber sie hat es geschafft. Die Chemo wurde dann gestoppt. Sie hatte aber leider einen Dekubitus entwickelt, der führte zu einer Sepsis, woran sie fast gestorben wäre, aber auch das hat sie geschafft. Leider ist sie seitdem aber komplett bettlägerig, seit fast 2 Jahren nun. Sie hat keinen Hunger mehr, hat stark abgenommen, entsprechend auch keine Kraft und ist wieder dekubztusgefährdet. Hinzu kommt jetzt eine Strahlencystitis, so dass sie bei einem Dauerkatheter immer wieder Blutungen hat und auch alle 2 Woche ins KH kommt. Hinzu ist sie depressiv (was ich absolut verstehen kann).

Ich frage mich immer wieder wie sie das aushält. Aber sie möchte einfach noch nicht gehen, das sagt sie auch, sie ist nun 67 Jahre, hat ihre Kinder, einen Enkel und sie möchte dabei bleiben! Aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass sie sich nur noch quält.
Sie redet auch immer wieder davon, dass es besser wird, sie wieder fitter wird. Ich weiss nicht, ob sie wirklich daran glaubt oder sich das nur einredet, um die Hoffnung nicht zu verlieren. D.h. sie wird aber auch so lange kämpfen, bis ihr Körper wirklich nicht mehr kann.
Aber ihr Leben besteht daraus, dass sie isst, obwohl sie keine Appetit hat, dasselbe mit dem Trinken, sie wartet darauf, dass sie gelagert wird, sie wartet auf Besuch, sie kann nicht mehr lesen, wegen ihrer Augen...

Ich freue mich unendlich, dass meine Mutter noch da ist, aber langsam fängt die Situation doch sehr an, an mir zu nagen.

Kürzlich war der Pfarrer bei ihr und hat mit ihr gesungen und einen kleinen Gottesdienst gehalten und danach meinte sie zu mir: so müsste man gehen können, so gelöst.

Sie weiss aber auch selbst, dass sie nicht loslassen kann.
Ich weiss nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich bewundere sie, für ihre Kraft.
Ich freue mich, dass sie bei uns bleiben will. Ich könnte schreien vor Ungerechtigkeit. Ich leide mit ihr.
Ich weiss nicht, was ich ihr sagen soll. Manchmal werde ich auch wütend wegen allgemeinen kleinen Dingen und dann fühle ich mich schrecklich, wie kann ich gegenüber einer schwer kranken Frau wütend werden??

Und wie kann ich dennoch mein eigenes Leben leben? (das kommt noch in einem extra post).

Gibt es hier jemanden, der ähnliche Erfahrungen gemacht hat?
Ich will ihr irgendwie Frieden geben, ich will nicht, dass sie stirbt, aber ich will, dass wenn der Tag kommt, sie gehen kann.

Ich sollte vielleicht noch dazu sagen, dass sie über das Thema nicht spricht, gar nicht.

Woolmark
Beiträge: 3
Registriert: Mi 30 Mär 2016 20:05
Wohnort: Zürich

Nachtrag

Beitragvon Woolmark » Mi 30 Mär 2016 20:58

Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, dass ich nicht froh darüber bin, dass meine Mutter noch da ist! Das Gegenteil ist der Fall. Aber ich finde es zunehmend schwerer damit umzugehen, dass sie leidet, körperlich, emotional, psychisch....


Zurück zu „Angehörige“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste