Angst vor dem Gesund werden


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duckyduck
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Angst vor dem Gesund werden

Beitragvon duckyduck » Mi 30 Nov 2011 11:42

Hallo,

Ich leide schon seit mehr als drei Jahren an einem Hodgkins (Stadium IV). Er wurde diagnostiziert, als ich 26 Jahre alt war, fitt und gesund. Ich konnte es nicht verstehen, wie mir so etwas passieren konnte, da ich nie geraucht habe, kein Alkohol konsumiert habe und generell ein recht gesundes Leben geführt habe (von den vielen Pizzen und dem Cola mal abgesehen). Ich habe mich dann intensiv damit auseinandergesetzt, was der Grund dieser Erkrankung sein könnte. Ich fand das alles so ungerecht, da ich im Grunde kein schlechter Mensch bin! Wieso mich? Da gibt es doch so viele, die einen Krebs verdienen würden, all diese Diktatoren und jene, die Menschenrechte verletzen aber heiter gesund sind. Na ja, irgendwann habe ich mich einfach damit abgegeben und nach meinem eigenen Grund für die Erkrankung gesucht.

Ich habe damals gelesen, dass der wahrscheinliche psychologische Auslöser einer Krebserkrankung in der Periode von sechs bis achtzehn Monaten vor der Diagnose liegen könnte. Ob das stimmt, weiss natürlich keiner, aber es war wenigstens ein Ansatz, zu versuchen zu verstehen was passiert ist. Der Mensch braucht einfach eine rationale Erklärung. Als ich erkrankt bin, arbeitete ich in der Finanzbranche. Ich arbeitete viel und hatte wenig Zeit, das Leben zu geniesen. Ich war mit meinem Job unzufrieden und sehnte mich nach einer Beziehung. Deshalb fand ich später einen Ansatz für den Grund meines Krebs in dieser Unzufriedenheit die zu einem immensen emotionalen Stress geführt hat.

Eine Woche vor der Diagnose hatte ich meine Kündigung eingereicht und wollte ein Studium in den Staaten angehen. Auf einmal war aber alles unklar, all meine Pläne, all meine Überzeugungen waren über den Haufen geschmissen worden.

Ich verbrachte den Sommer in Therapie (ABVD Chemo), wollte dennoch im August mit dem Studium beginnen. Ich war seit knapp einem Monat in den Staaten wo ich am dortigen Spital behandelt wurde als der erste Rückfall kam. Ich habe mir tausend Fragen gestellt was ich wohl falsch gemacht hatte, um einen Rückfall zu bekommen, da die letzten PetScans doch so gute Resultate gezeigt hatten. Ich musste zurück nach Hause um eine intensivere Chemo durchzugehen und wurde zwei Mal mit meinen eigenen Stammzellen transplantiert. Danach war ich ein Jahr in Remission. Ich habe während dieser Zeit meine Frau kennengelernt und das Leben in der ersten Monaten richtig genossen. Ich dachte, der Krebs wäre endlich hinter mir, ein neues, schönes Leben könnte beginnen. Ich stürzte mich total ins Studium damit ich es schnell abschliessen konnte und mit meiner Frau zurück in die Schweiz ziehen. Wir hatten uns beide eine Arbeit gesucht und konnten es kaum erwarten, unser eigenes Heim aufzubauen und später eine Familie zu Gründen. Ich wollte einen gut bezahlten Job damit wir auch die finanzielle Basis für eine Familie legen konnten. Doch kurz bevor dem Umzug kam dann die schlechte Neuigkeit. Der Krebs war zurück. Das darauffolgende Jahr war der Horror. Ich versuchte eine neue Therapie, die noch in der Testphase war, aber die hat nur teilweise angesprochen. Der Arzt redete immer von Stabilisierung, ich wollte aber Genesung. Seit August, d.h. 18 Monate nach dem zweiten Rückfall, sind wir nach Zürich gezogen. Meine Frau hatte endlich einen Job gefunden und wir konnten uns wieder ein normales Leben leisten.

Ich bin derzeit immer noch in Behandlung. Und die Angst von einer Genesung ist riesig. Ich habe Angst, dass alles gutgehen könnte, denn die Angst vor einem weiteren Rückfall ist noch grösser. Ich weiss nicht, wie ich diese Angst überwinden könnte. Ich will ein normales Leben, habe aber Angst dass der Alltagsstress nach der Genesung vielleicht zu einem neuen Rückfall führen könnte. Ich kann das meiner Familie nicht antun und das ist die grösste Angst. Wie kann ich meiner 26 Jährigen Frau zumuten, das noch einmal durchzugehen. Was soll ich machen, falls ich wieder Gesund werde. Ich sage mir im tiefsten Inneren dass, solange ich nicht Gesund bin, meine Familie keine Erwartungen hat und ich sie nicht enttäuschen kann. Aber ich will ja ein normales leben, ich sehne mich danach, aber ich weiss nicht, ob ich dafür bereit bin. Ist man je dafür bereit? Wie soll ich nur mit dieser Angst umgehen?

Katharina
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Ängste

Beitragvon Katharina » Mi 30 Nov 2011 16:37

hallo duckyduck

Ich habe soeben Ihren Bericht gelesen und er hat mich tief berührt. In diesen vergangenen drei Jahren haben Sie viele Hochs und Tiefs erleben müssen. Es ist gut zu verstehen und auch normal, dass sich da auch Ängste breit machen. Sie sind sich Ihrer Ängste bewusst und ich finde es sehr gut, dass Sie sich hier im Forum mitteilen. Sicher werden Ihnen auch bald andere Forumsteilnehmer ihre Erfahrungen schreiben. Selber kann ich nicht aus eigener Erfahrung berichten, wie man mit Ängsten umgehen soll. Dafür gibt es auch kein Patentrezept. Jeder bewältigt seine Krisen auf eine andere Art. Es gibt aber Fachkräfte, Psychoonkologen, die sich auf Krebsbetroffene spezialisiert haben. Mit einem Psychoonkologen könnten Sie vielleicht Strategien entwickeln, wie Sie mit Ihren Ängsten umgehen können. Adressen können Sie im Wegweiser der Krebsliga finden. Link:
http://www.krebsliga.ch/de/leben_mit_kr ... wegweiser/
Auch Ihr Onkologe wird Ihnen Adressen geben können von Psychoonkologen in Ihrer Umgebung.
Vielleicht kann Ihnen auch der Austausch mit Mitgliedern der Selbsthilfegruppe der Lymphombetroffenen helfen. Link: http://www.zentrumselbsthilfe.ch/gruppe/lymphom

Ich wünsche Ihnen alles Gute und eine lichtvolle Adventszeit

Katharina Borer, Moderatorin

Flute
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Gleichgesinnte finden

Beitragvon Flute » Do 29 Dez 2011 9:46

Hallo Duckyduck
Wir haben auf Facebook eine Selbsthilfegruppe, morbus hodgkin - below 30. Es sind alles Betroffene unter 30. Manche haben auch eine längere Prozedur hinter sich. Thema Angst kennen wir alle. Vielleicht würde es dich interessieren, mit uns zu kommunizieren...?
Den Lebensweg wieder zu finden ist nicht einfach, fand ich auch. In deinem Fall noch extremer. Wirst du von einem Psychoonkologen betreut? Mir hätte so einer sicherlich geholfen während dieser Zeit.
Würde mich freuen, dich in unserer Gruppe anzutreffen. Es tut einfach gut, mit gleichgesinnten zu kommunizieren.

Alles Gute
Flute


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