Hodgkin besiegt, aber wie geht es weiter?


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nicole s.
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Hodgkin besiegt, aber wie geht es weiter?

Beitragvon nicole s. » Do 22 Jun 2006 19:51

Hallo zusammen

Ich bin zufällig auf diese Seite gestossen, und total fasziniert von diesem Forum.
Ich bin 21 Jahre alt und bei mir wurde im letzten Dezember ein Hodgkin Lymphon diagnostiziert, sofort wurde ich auch mit Chemo und Strahlentherapie behandelt. Nun ist ein halbes Jahr vergangen. Es ist spannend zu lesen, wie andere Menschen mit der Situation umgegangen sind und ihr Leben wieder in den Griff bekommen haben. Was mich besonders interessiert ist, ob Ihr auch erst nach dem ganzen Prozedere in ein tiefes Loch gefallen seid, und wie ihr es geschaft habt, wieder daraus zu kommen. Von einem Tag auf den anderen ist mein Leben total zusammengebrochen, dies jedoch erst als der Alltag wieder eingetroffen ist.

Würde mich über eine Nachricht freuen!

nicole

Ladina
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Beitragvon Ladina » Do 22 Jun 2006 21:47

Liebe Nicole

Das, was Du beschreibst, kenne ich gut. Auch ich brauchte nach meinen Intensiv-Behandlungen immer Zeit, mich wieder in den Alltag einzuleben und ich kenne das Gefühl, eine Art Trostlosigkeit oder Verlassenheit, die mich traurig machte, obwohl ich mir zuvor den Alltag herbeisehnte wie nichts anderes.
Ein wenig hatte das oft mit der Müdigkeit nach der Behandlung zu tun, die mich sowieso schlapp machte und so seltsam es war, mir fehlte auch der Betrieb im KH.
Bist Du ganz fertig mit Deiner Therapie oder gibt es noch eine ambulante Therapie bei Dir? Ich kenne das Lochgefühl auch dann, wenn die Behandlung ganz abgeschlossen war, das Gefühl, jetzt ganz auf mich gestellt zu sein, die Angst, der Körper fängt sich wieder was ein - jetzt so ohne medizinische Unterstützung.
Oder die Angst vor dem Alltag selber - schaff ich das alles schon?
Plötzlich ist der Alltag Neuland und das verunsichert.

Mit der neu wachsenden Kraft wächst auch der Mut. Es ist wichtig, dass Du Deinem Körper wieder Vertrauen schenkst.
Mir hat die Natur selbst sehr geholfen, Spaziergänge und Naturbeobachtungen, auch das Schreiben und Sprechen über meine Gefühle.
Und ich habe eine Therapie begonnen, die ich heute noch mache, und die den gesunden Anteilen in mir Unterstützung bietet. Das ist Atemtherapie nach Middendorf in Einzeltherapie. Mit dem Atem kannst Du ganz viel beeinflussen und auch der Atem so wie er aus Dir unbewusst strömt, beeinflusst Deine Gefühle. ich schreibe Dir gerne mehr darüber, wenn es Dich interessiert. Atemtherapie nach Middendorf nach Krebserkrankungen wird in der Regel von der Krankenkasse bezahlt, wenn ein Arzt sie verschreibt.

Ich wünsche Dir, dass Du das Vertrauen ins neu gewonnene Leben bald wieder umarmen kannst.
Alles Gute und liebe Grüsse
Ladina

nicole s.
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Beitragvon nicole s. » Fr 23 Jun 2006 13:23

Liebe Ladina

Herzlichen Dank für deine Antwort! Es hat mich richtig berührt diese Worte zu lesen! Ich bin seit April fertig mit der Therapie und habe vor einem Monat auch wieder zu arbeiten begonnen. Seit rund 3 Wochen habe ich eine tiefe Krise, die mich soweit gebracht hat, dass ich mit meinem langjährigen Freund Schluss gemacht habe. Ich habe das Bedürfnis nochmals neu anzufangen, neue Freunde kennenzulernen, eine neue Beziehung aufzubauen. Ich möchte einfach nochmals von vorne beginnen! Ich habe zwar einige gute Kolleginen mit denen ich auch gut über mein Schicksal sprechen kann, aber es fehlt mir irgendjemand der das auch durchgemacht hat, der genau weiss wie es ist, der aus Erfahrung sprechen kann. Ich bin seit drei Wochen bei einer Kinesiologin in Behandlung, ich habe dass Gefühl, dass mir sehr gut helfen kann. Ich fühle mich nach drei Sitzungen schon wesentlich ausgeglichener und emotional geht es mir auch viel besser.

WIe ist es bei Dir gewesen? Bist Du auch in deinen jungen Jahren vom Krebs überrascht worden?

Liebe Grüsse Nicole

Ladina
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Beitragvon Ladina » Fr 23 Jun 2006 19:55

Liebe Nicole

Es ist witzig, ich stand zu jener Zeit nach der letzten Intensivtherapie genaugenommen zwischen den beiden Alternativmethoden Kinesiologie und Atemtherapie. Kinesiologie ist ein faszinierendes Thema, immer noch auch für mich. Vielleicht mach ich das mal später noch, wobei ich in Kombination mit der Chiropraktik damit in Berührung gekommen bin und auch schon profitieren konnte von solchen Kenntnissen.
Ich bin ein Sonderfall unter den Krebspatienten. Meine Geschichte erschreckt viele, vor allem noch neu Betroffene, aber bei mir liegt den Erkrankungen eben ein seltener genetischer Defekt zugrunde, den ich seit der Geburt schon habe und den man nicht heilen kann. Die Krebserkrankungen kann man aber dennoch behandeln, allerdings ist Strahlentherapie verboten. Mir geht es aber im Moment so gut, dass ich mich wie geheilt fühle - und das ist grossartig.
Meine erste Erkrankung hatte ich mit 8 Jahren, es war auch ein Lymphom( Burkitt), Jetzt bin ich schon 38. Du siehst, es kann weitergehen danach.

Ich denke, ein gutes Forum für Dich als so jung Erkrankte wäre dieses hier von Jung und Krebs. Guck Dich mal um. Es wurde auch von einer Schweizerin gegründet, die jung erkrankt ist.
www.jungundkrebs.ch.vu

Wenn Du mehr über mich wissen möchtest, wie ich es bewältigt habe und so, es gibt einige Gedichte, die von mir online sind hier im Krebsforum.
Du findest sie hier:

http://www.krebsforum.ch/forum/viewtopic.php?t=166

Ich freue mich, wenn ich Dir weiterhelfen kann

Liebe Grüsse
Ladina

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Beitragvon Ladina » Fr 23 Jun 2006 20:24

Liebe Nicole

Ich vergass noch etwas Wichtiges:
Es ist ganz immens wichtig, dass Du auf Deine innere Stimme hörst, Deine Gefühle ernst nimmst, im Dialog mit Dir selber stehst, um Deine Bedürfnisse zu erkennen.
Arbeiten ist gut, wenn Du dich an Deiner Arbeitsstelle wohlfühlst, Dich gebraucht und nützlich fühlst und Anerkennung bekommst.
Der Schritt, Dich vom Freund zu trennen ist ein grosser, aber nachvollziehbar, auch für mich.
Ich denke zwar nicht, dass es so ist, dass einem Lebensumstände in jedem Fall krank machen - bei mir ist es ja wie gesagt was anderes, aber ich denke, dass gewisse Umstände eine Erkrankung , egal welcher Art begünstigen können.
Dein Wunsch, nochmals neu zu beginnen, ist ein guter. Du hast das Leben neu gewonnen, setzt jetzt Prioritäten anders. Auch ich habe mich verwandelt, in der Intensivzeit meiner Krankheit die allerbesten Freunde gefunden (Gesunde und kranke) , die mich noch heute stützen. Wer so etwas mitträgt, offen und ehrlich bleibt zu Dir, das ist ein echter Freund.
Wenn jemand dabei ist, den Du schon vor Deiner Krankheit kanntest, umso besser, denn er oder sie kennt Deine Wurzeln noch aus der Vergangenheit und wächst mir Dir weiter im neuen Boden.

Herzlichst
Ladina

nicole s.
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Beitragvon nicole s. » Sa 24 Jun 2006 21:06

Hallo Ladina

Herzlichen Dank für deine ausführlichen Mails.

Ich bin froh kann ich wieder Arbeiten gehen, das Gefühl wieder gebraucht zu werden und der Tätigkeit nachzugehen die einem Freude bereitet, ist für mich die beste Therapie im Moment! Ich selber arbeite bei einem Arzt dadurch bekomme ich viele andere Schicksale mit. Manchmal denke ich, sei doch froh hast du nur ein Hodgkin, es hätte dich tausend mal schlimmer treffen können! Mein grösstes Glück war, dass ich selber gemerkt habe, dass etwas nicht stimmen konnte. Ich hatte eine Schnupperlehrtochter und liess jene mich mal in den Finger picksen, damit sie auch etwas sieht vom Beruf, ich machte mit ihr zusammen einen einfachen Test, der Auskunft gibt ob irgendwo im Körper eine Entzündung vorliegt! Zu meinem Erschrecken zeigte dieser ein enorm hohen Wert an. NAch diesem Wert hätte es mir sehr sehr schlecht gehen müssen, aber ich fühlte mich top fit! Ich vereinbarte mit meinem Hausarzt einen Termin und wir machten uns auf die Suche, warum dieser Wert dermassen hoch war. Nach langem hin und her überlegen, wurde ein Lungenbild gemacht, jenes dann klar einen Schatten zeigte. Ich wurden am nächsten Tag bereits in den Spital eingewiesen und am nächsten Tag wurde ich schon operiert (die Gewebsentnahme war so schwierig, dass sie mir die Lungen zusammenfallten mussten, damit sie zum Tumor kamen.) ich hatte lange Probleme mit den Folgen der Operation! (Lungenkatheter, enzündete Narben etc.). Und nun sind 6 Monate vergangen und ich bin wieder "gesund"!:-)

Ich hoffe dass es Dir auch wieder gut geht und du dein Leben in vollen Zügen geniessen kannst!

Liebe Grüsse nicole

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Beitragvon ANy » Di 4 Jul 2006 21:23

Hallo Nicole

Ich hoffe, dir geht es wieder besser und du hast dich wieder gut in deinen Alltag eingelebt.
Irgendwie macht es Mut zu lesen, dass man nicht alleine ist. Ich kann dich ganz gut verstehen.
Meine Diagnose wurde letzes Jahr im Juni gestellt. Ich war dann 23 Jahre alt. Es war ein Hodgkin Stadium2 aber sehr ausgebreitet, da er über ein Jahr gewuchert hat. Meine Hausärztin damals hat das irgendwie einfach nicht ernst genommen.
Zwischenzeitlich habe ich eine Chemotherapie hinter mir und lebe jetzt auch immer mit der Angst, es könnte wieder etwas kommen. Aber ich denke, das ist normal. Einerseits muss man sensibel sein auf den Körper und andererseits darf man sich nicht von der Angst bestimmen lassen. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich Hals, Achsel und Leiste auf Knoten abtaste. Bei jedem kleinsten Schmerz denkt man immer gleich an Krebs. Geht es dir auch so? Kopfschmerzen - ach es könnte ja ein Hirntumor sein.. usw. Irgendwie ist es lästig, so leben zu müssen... aber andererseits muss man einfach froh sein, dass es uns jetzt in dem Moment gerade gut geht und das müssen wir geniessen.
Der Austausch mit "Gleichgesinnten" (doofes Wort irgendwie) tut in unserem Fall halt schon gut. Man versteht sich eben.

Ich wünsch dir noch gute Besserung und alles Gute für deine Zukuft!

ANy

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Hallo Any

Beitragvon nicole s. » Mi 5 Jul 2006 12:10

Schön von dir zu hören!
Ich habe auch ständig angst dass plötzlich wieder etwas auftaucht, aber ich denke, diese Angst hat jede! Ich hatte keinerlei anzeichen damals, hatte keine geschollenen Drüsen, nichts! Den Tumor den ich hatte (Faustgross) versteckte sich zwischen lungen und Herz, er war also gar nicht tastbar! Meine Ärztin meinte, ich hätte locker noch 2 - 3 Jahre ohne Symptome leben können, bis ich es gemerkt hätte! Es ist schon tragisch, da wuchert so ein Ding in einem und man merktes nicht mal! Das bereitet mir schon angst!

Geht es Dir den jetzt gut? hast du die Therapien abgeschlossen?

Liebe Grüsse

Nicole

ANy
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Beitragvon ANy » Fr 7 Jul 2006 8:31

Hallo Nicole

Ja, es ist schon schlimm, dass man Krebs haben kann und es nicht mal merkt. Bei mir war es auch eine lange blöde Geschichte bis man es endlich hatte. Meine Blutwerte waren i.O. und die beiden Punktionen haben auch nichts angegeben. Erst eine operative Gewebeentnahme brachte die Diagnose und das mehr als ein Jahr nach meinem ersten Arztbesuch. Naja, ich schrieb ja schon, dass meine Ärztin das am Anfang nicht so ernst nahm. Da ich dann eben noch schwanger wurde, musste man mit den Untersuchungen sowieso noch warten bis das Kind da war. Danach ging alles ganz schnell. Alle diversen Untersuchungen und dann die Chemo.
Die Standard Chemo geht ja 4 Zyklen (im ganzen 4x2 alle 2 Wochen). Danach war der Tumor schon recht zurück, aber leider noch nicht vollständig. Theoretisch wäre dann die Bestrahlung dran gewesen, aber sie wollten lieber nochmals Chemo machen. Also hängten wir noch 2 Zyklen an. Das PET zeigte dann nichts mehr an, aber im CT sah man noch die vergrösserten Lymphdrüsen. Nun liess man das so. Man kann also gar nicht sagen, dass der Hodgkin ganz besiegt ist. Aber wenigstens nicht aktiv.
Ich hoffe und bete einfach, dass das Zeug halt von alleine weggeht. Aber sonst geht es mir eigentlich gut. Ich weiss nicht, wie ich es geschafft hätte, hätte ich nicht ein Baby gehabt, das mich brauchte. Und trotzdem ist meine grösste Angst jetzt, was ist mit meinem Kind, wenn ich wieder Krebs habe. Naja, es bleibt nicht anderes als diese Angst beiseite zu schieben und das Jetzt zu geniessen. Es muss ja gar nicht sein, dass wieder was kommt. Also immer optimistisch bleiben :-)
Je länger man nach der Behandlung ohne Krebs lebt, desto mehr schwindet die Angst...

Hey, ich würde mich sehr freuen, wenn du wieder schreibst. Kannst mir auch eine PN schreiben, dann können wir ein bisschen austauschen.

Ganz liebe Grüsse


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