Glioblastom - Egoismus als Angehöriger


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Emmi123
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Glioblastom - Egoismus als Angehöriger

Beitragvon Emmi123 » Mi 30 Mär 2022 11:36

Hallo,

mein Vater wurde vor Kurzem mit einem Glioblastom diagnostiziert. Wir haben bereits mehrere (chronische) Erkrankungen in der Familie, weshalb uns diese Diagnose nochmal den kompletten Rest gegeben hat. Auch wenn ich mir große Sorgen um meinen Vater mache, merke ich wie ich mich immer mehr (ungewollt) von ihm distanziere. Ich glaube das ist eine Art Schutz, weil ich genau weiß dass ich sonst daran zerbrechen würde. Meinem Vater geht es noch „gut“, allerdings ist er deutlich wesensverändert. Ich bin noch Studentin, weshalb ich auch ab und an in meine Uni-Stadt (die mehrere Autostunden entfernt liegt) muss. Ich fühle mich unglaublich egoistisch, weil ich jedes Mal Angst davor habe nach einigen Tagen an der Uni wieder Heim zu fahren und am liebsten einfach dort bei meinen Freunden bleiben würde. Ich hoffe ich werde hierfür nicht verurteilt, mir ist bewusst wie egoistisch und unsensibel das klingt. Geht es anderen Angehörigen in dieser Situation vielleicht ähnlich?

Liebe Grüße,
Emmi

Jens B
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Re: Glioblastom - Egoismus als Angehöriger

Beitragvon Jens B » Do 31 Mär 2022 13:35

Hallo Emmi,
ich danke Dir das Du uns Dein Vertrauen schenkst!

Ich bin zwar kein Angehöriger, möchte dir aber als selbst Betroffener (Hirntumor: Tentorium Meningeom) aus meiner Sichtweise antworten.

Es tut mir sehr leid mit Deinem Vater. Ich wünsche Ihm alles Gute und Dir/Euch viel Kraft, dies gut zu meistern und Kraft zu finden, um dieses bedrückende und unglaublich traurige Schicksal zu bewältigen!

Aber zunächst möchte ich Dir sagen, dass Du Dich nicht egoistisch verhältst!
Denn wie Du schon selber sagst, ist es:

1. eine Art Selbstschutz von Dir, damit Du an dieser unglaublich schweren und äußerst traurigen Situation nicht selbst zerbrichst.

2. Deine weite Autofahrt bereitet Dir ja auch noch ZUSÄTZLICH (!) großen Stress und macht Dir gewisse belastende Umstände. Als Studentin vermute ich ganz stark, dass Du sehr viel “um die Ohren“ hast. (Kennt man bei Euch in der Schweiz die Redewendung eigentlich? Denn ich komme aus Deutschland.)

Doch ich will auch nicht lügen. Es gibt sicher jeden Hirntumor-Erkrankten sehr viel Kraft, macht Mut, spendet Ihm Trost; gibt ihm Halt und lässt ihn zuversichtlich sein, diese schwere Krankheit zu bekämpfen!
Ich spreche da ja aus eigener Erfahrung. Meine Familie, Arbeitskollegen und gute Freunde, selbst ehemalige Klassenkameraden (Ich war damals 32 Jahre, nun aber schon 53) spendeten mir Trost, gaben mir sehr viel Kraft und unterstützten mich seelisch und psychisch! Die Liebe von anderen zu spüren, ist nicht nur für Gesunde schön, sondern gleich doppelt so intensiv für Kranke!

Falls Dein Vater ansprechbar ist, telefoniere doch mit Ihm. Er wird garantiert verstehen, dass Du aus Zeit- und sonstigen Gründen nicht oft zu Ihm persönlich ans Krankenbett kommen kannst.
Dieses Verständnis von Ihm was er Dir damit entgegenbringen wird, ist ein inniger Liebesbeweis Vaterseits. Denn als Elternteil ist es unglaublich schön, wenn man seinen Kindern diese Herzenswärme erwidern und sie spüren lassen kann. Dabei ist es völlig egal in welcher Situation! Ich denke sogar, gerade in einer misslichen Lage. Denn es drückt die Familienzusammengehörigkeit aus! Da ist es irrelevant, ob und wie oft man sich persönlich trifft.
Hauptsache man ist in Gedanken vereint!

Ja, leider ist eine Wesensveränderung bei Hirntumorerkrankungen nicht selten.
Auch wenn vom näheren Umfeld diese natürlich zunächst schwer verständlich, zu “ertragen“ und zu akzeptieren sind.
Doch man muss stets bedenken, dass der Erkrankte diese Gefühlsschwankungen nicht bewusst macht. Er befindet sich gewissermaßen in einem Käfig!
Diesem Dilemma kann man als Angehöriger nur mit viel, viel Geduld, großem Verständnis und entgegenbringender Herzenswärme, Güte und inniger Liebe entgegentreten!

Zum Schluss möchte ich nochmals ausdrücklich betonen, dass Dich niemand und schon gar nicht er, verurteilen oder als egoistisch betrachten wird!
Denn wie schon oben erzählt, kannst Du Deine Liebe und den seelischen Beistand auch per Telefon, Brief oder sogar per Videotelefonie via Smartphone oder besser Tablet bekunden.
Auch indem Du eben seltener vor Ort sein kannst, zeigst Du Deine “Unterstützung“, indem Du an Ihn denkst.
Das Du Ihn nicht öfters besuchen kannst, wird er anstandslos verstehen! Denn Elternliebe kennt keine Hürden.

Du bist nicht egoistisch!!!

Denn nicht umsonst wendest Du Dich hier vertrauensvoll ans Forum. Richtig so! Denn Du musst auch mal wieder Kraft schöpfen und auftanken. Diese neue Energie wird dann auch Dein Vater spüren, Ihn seelisch aufrichten, gar motivieren und zu Gute kommen.

Beste Grüße aus Sachsen, sendet herzlich
JensB

Alia
Beiträge: 4
Registriert: Fr 13 Jan 2023 8:41

Re: Glioblastom - Egoismus als Angehöriger

Beitragvon Alia » Fr 13 Jan 2023 9:21

Liebe Emmi,

wie geht es dir und deinem Vater.
Auch ich kann Jens nur recht geben.
Das ist nicht egoistisch, das ist genau richtig so, wie du handelst.
Es ist ein Schock so eine Diagnose zu bekommen, nicht nur als Betroffener, sondern für die ganze Familie.
Du hast dein Leben noch vor dir, dein Studium und auch dein Papa fände es bestimmt total wichtig, dass du das beendest und in ein schönes Berufsleben und somit Gesamtleben startest total wichtig.
Pass gut auf dich auf.

Liebe Grüße
Alia


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