...und plötzlich ist alles ganz anders. Ein Leben ohne Hoden.


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cristalli
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...und plötzlich ist alles ganz anders. Ein Leben ohne Hoden.

Beitragvon cristalli » Do 13 Aug 2015 15:27

Wer hätte das gedacht? Es ist als Mann sehr gut möglich nach beidseitiger ablatio testis in Folge von Seminomen ohne Hoden zu leben und dabei glücklich, ausgeglichen und zufrieden zu sein.

Die Operation, die nach der Diagnosestellung zur Entfernung des bösartigen Gewebes unabdingbar wird, scheint Routine zu sein und doch schüttelt es einen durch, wenn man nach der Operation im Aufwachraum nachfragt, wie es gelaufen ist.

Nun lebe ich seit mehr als 5 Jahren ohne Hoden, substituiere das Testosteron mit Depotspritzen und bin völlig gesund.

Ich möchte alle neu an Hodenkrebs erkrankten Männer ermutigen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Insbesondere wenn ein einzelner Hoden betroffen ist, geht das Leben mehr oder weniger so weiter wie zuvor. Man kriegt die Kurve bestimmt.

Sollten es bei euch leider auch beide Hoden sein die betroffen sind, lasst euch nicht entmutigen. Es ist anfangs sehr schwer, diese Tatsache anzunehmen, zu integrieren in die eigene Lebensgeschichte und vorwärts zu blicken. In Zukunft jedoch, das kann ich euch aus eigener Erfahrung versichern, rückt das Thema wieder in den Hintergrund. Aus wenn es vorerst nicht vorstellbar, ja unmöglich zu sein scheint.

Später, wenn man alle Zweifel und Ängste, also die tiefe Krise die man unweigerlich durchleben muss überwunden hat, ist man einfach nur froh, dass es vorbei ist und kann ganz normal leben, wie ein richtiger Mann. Einfach mit einer kleinen Besonderheit, eben der fehlenden Hoden.
Dank des künstlich zugeführten Testosterons funktioniert übrigens auch die Libido wunderbar und es stellen sich, jedenfalls bei mir, auch keine anderweitigen negativen Symptome ein.

Es wird nicht mehr gleich sein wie zuvor, und doch geht es weiter und zwar sehr sehr gut.
Daher wünsche ich euch Mut, liebe Männer, ihr schafft das ganz bestimmt!
Kopf hoch und immer weiter voran.

Benjamin83
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dankä

Beitragvon Benjamin83 » Di 10 Nov 2015 19:58

vilmal

cristalli
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Re: ...und plötzlich ist alles ganz anders. Ein Leben ohne Hoden.

Beitragvon cristalli » So 19 Mai 2019 8:23

Liebe Leser (-innen)

Wie lebt sich so ein Leben als Mann ohne Hoden, nun fast genau neun Jahre nach der Operation?
Der erste Beitrag wurde schon sehr oft gelesen, daher scheint es euch zu interessieren.


Wir definieren Menschen auch im täglichen Sprachgebrauch über die Hoden. Mutlosen oder zögernden Menschen attestieren wir kurzerhand "Der hat keine Eier." Besonders kühne Aktionen werden damit hervorgehoben, dass der Betreffende "Die Eier hatte", so etwas durchzuziehen. Wir alle kennen diese Redensarten mehr oder weniger. :-)

Meist denke ich mir, wenn ich das im Alltag so höre, wenn du wüsstest... :-)
Ja, ich habe keine Eier mehr. Das ist Fakt.

Trotzdem gehe ich mutig, offen, zielstrebig und auch sehr erfolgreich durch mein Leben. Man sieht mir nichts an, ich fühle mich gut und vor allem gesund. Langsam aber stetig kommen die grauen Haare, das scheint attraktiv zu sein oder zu wirken. Ich flirte gerne und viel. Ich bin charmant. Meine Frau möge mir das verzeihen, aber es tut gut zu wissen, dass man für das andere Geschlecht durchaus auch attraktiv ist... ;-)

Manchmal denke ich an die Ärzte (-in), die mir mit der Entfernung der Hoden und damit den bösartigen Krebs das Leben gerettet haben. Manchmal denke ich auch an die Ärzte (-in) der Onkologie die mich bei der folgenden Chemo und den weiteren Nachsorgeuntersuchungen unterstützt und Mut gemacht haben. Manchmal denke ich an das Pflegepersonal, das mir oft mit ganz kleinen Gesten, kleinen Hilfen, vielleicht einem Lächeln oder einem netten Wort das eigentlich unvorstellbare erträglich gemacht haben. Nämlich so wie ich bin weiter zu leben. Als Mann ohne Hoden, dafür gesund.

Liebes Pflegepersonal, Liebe Ärzte (-innen): Ich werde nicht müde Euch allen ganz herzlich dankbar zu sein. Ich verneige mich mit grösstem Respekt vor der täglichen Arbeit, die ihr leistet. Nicht nur für mich, sondern für alle Menschen die sich an euch wenden, die Eure Unterstützung benötigen und annehmen müssen. Vielen lieben Dank!!!

Allen Männern die sich in Behandlung befinden kann ich aus eigener Erfahrung mitteilen: Es geht weiter. Seid stark, so nach dem Motto "Geht nicht, gibt's nicht." Hört nicht auf zu kämpfen, lasst euch nicht unterkriegen!

Nun wünsche ich euch, geschätzte Leser, alles Gute.

Opa
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Re: ...und plötzlich ist alles ganz anders. Ein Leben ohne Hoden.

Beitragvon Opa » So 19 Mai 2019 10:00

Erfahrungsberichte sind fuer Mitbetroffene eusserst hilfreich. Und zwar nicht nur Erfolgsberichte, die Mut machen, sondern auch Opferberichte ueber Stolpersteine der Versicherungsmedizyn und der Versicherungsjuxtiz. Laut Weltgesundheitsorganisation, deren Vertragsbestimmungen von der Schweiz ratifiziert sind, hat ein Patient soweit moeglich nicht nur Anspruch auf ganze Knochen und Amputation krebsverseuchter Organe, sondern auch auf maximale Schmerzlinderung und optimales Wohlbefinden. Bei der Schmerzlinderung, Schmerzverhinderung und Optimierung des Wohlbefindens wenn noetig durch dafuer genuegende Assistenz macht die Schweiz dennoch eher Rueck- als Fortschritte.

avocado
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Registriert: Di 28 Mai 2019 15:43

Re: ...und plötzlich ist alles ganz anders. Ein Leben ohne Hoden.

Beitragvon avocado » Di 28 Mai 2019 16:51

Hallo cristalli

Danke fuer Deine positiven und aufmunternden Worte.

Im Februar wurde mir der zweite Hoden entfernt. Es ging soweit alles gut, bis ich erst bei den letzten zwei Chemotherapien immer mehr Muehe hatte, das ganze seelisch zu verarbeiten.

Deine Worte Zitat "Später, wenn man alle Zweifel und Ängste, also die tiefe Krise die man unweigerlich durchleben muss überwunden hat, ist man einfach nur froh..." zeigen, dass es nicht einfach ist, psychisch mit dieser Situation umzugehen - ich spuerte, dass ich in ein Loch falle und entschied mich zur Unterstuetzung voruebergehend fur ein Antidepressivum.

Deine Einschaetzung hat mir gut getan und ich hoffe, dass sich nach der zweiten Testosteron-Ersatz Spritze von letzter Woche die Libido - nach Absetzen des Antidepressivum - wieder erholt, da ich im Moment diesbezueglich gar nichts spuere.


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