Mein Weg


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breathein88
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Mein Weg

Beitragvon breathein88 » So 12 Nov 2017 11:05

Liebe Mitleser

Ich schreibe diese Zeilen um bestenfalls jemand anderen etwas Mut zu machen oder aber nur um mir mal alles von der Seele zu schreiben.

Vor 1.5 Jahren (mit Alter von 28 Jahren) habe auch ich eine Verhärtung im Hoden bemerkt. Gegooglet und dann sofort zum Urologen, welcher Hodenkrebs diagnostizierte. Ein Schock klar, jedoch keine Zeit diesen zu verarbeiten - gleich am nächsten Tag war die Operation. Vorgängige Untersuchungen haben ergeben, dass keine Streuungen vorhanden waren. Der befallene Hoden wurde entfernt, einige Tage im Spital. Zuhause etwas Schmerzen und zwei Wochen Zeit, die Sachen neu zu ordnen. Es wurde mir geraten, eine einmalige Chemotherapie durchzuführen. Gesagt, getan. Es war nur eine Woche aber ich konnte erfahren wie die Nebenwirkungen ausfallen. Hiermit möchte ich meinen grössten Respekt bekunden, vor Menschen, die diese Prozedur mitmachen müssen.

Was übrig blieb war die Tatsache, dass ich nun nur noch einen Hoden hatte. Tatsächlich hatte ich Mühe damit,obwohl sexuell keinerlei Einbussen vorhanden waren (bin in einer festen Partnerschaft). Die doch eher oberflächliche Welt (Schweiz? Zürich?) zeigte also auch bei mir Ihre Nebenwirkungen. Seither regelmässige Kontrolle.

Dann vor drei Wochen ein Anruf meines Arztes - die Tumorwerte sind gestiegen. Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass nun auch mein zweiter Hoden befallen war. Viele Gedanken in meinem Kopf: Wie weiter? Wie vertrage ich die Hormone? Werde ich mich verändern als Person? Kann ich ein sexuelles Liebesleben führen? Auch hier ging es schnell und die Operation wurde durchgeführt. Gleichzeitig wurden Protesen eingesetzt.

Aktueller Status: Zwei Wochen war ich krankgeschrieben, ab morgen gehts wieder in den Alltag. Schmerzen sind mild, Wundheilung verläuft gut. Tatsächlich ist bereits erkennbar, dass sexuell keine Einbussen gemacht werden müssen. Die Testosteron-Spritze tätigt ihr Werk bis anhin gut. Stimmungstechnisch gerade auf einem Tiefflug - sind es die Hormonschwankungen? Oder kann ich das Geschehene noch nicht verarbeiten? Wir werden sehen. Die Blutwerte werden aktuell untersucht und das weitere Verfahren wird dann besprochen.

Fazit: Die Wunden werden heilen und es sieht so aus, als ob keine Einschränkungen vorhanden sind. Falls jemand Erfahrungswerte hat bezüglich Ernährungsumstellung nach der Entfernung beider Hoden (oder auch keine Ernährungsumstellung) wäre ich um Feedback dankbar. Ich mache mir viele Gedanken bezüglich Östrogenaufnahme (Hallo Hopfen in Bier....). Wie vertragt ihr die Hormone? Merkt ihr eine Änderung eurer Persönlichkeit?

Also Jungs, es ist alles machbar und ihr werdet auch bei Entfernung beider Hoden ein gutes und normales Leben führen! Falls jemand Fragen oder Anregungen hat bin ich für eine Diskussion gerne bereit. Meldet Euch bei mir.

cedric92
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Re: Mein Weg

Beitragvon cedric92 » Do 16 Nov 2017 17:08

Lieber breathein88

Erstmal mein Beileid für das, was du durchmachen musstest und musst. Ich bin 25 und bekam vor 1.5 Jahren ebenfalls die Diagnose Hodenkrebs, ich musste operieren und habe auch beide Hoden verloren. Ich bin also wie du auch auf Hormonersatz angewiesen.

Zu deinen Fragen:
Ganz allgemein fühle ich mich seit diesem Zeitpunkt ein bisschen weniger fit aber nur in kleinem Ausmass. Ob dies am Körper oder am Hormonersatz liegt oder doch eher psychologischer Natur ist, kann ich nicht sagen.
Meine Persönlichkeit hat sich mit den Hormonen nicht geändert. Ich bin zwar nachdenklicher als zuvor, das liegt aber ziemlich sicher mehr am Erlebten als an den Hormonen.
Sexuell ist das Wichtigste wohl die Potenz, und die Lust. In diesen zwei Punkten hat sich bei mir nicht viel verändert, ist also beides in Ordnung.

Nun zu den Nebenwirkungen, ich habe abgesehen von den kleinen Schwankungen gleich nach und kurz vor der nächsten Spritze nur eine weitere Nebenwirkung bemerkt, diese ist jedoch sehr mühsam. Seit ich die Testosteronspritze Nebido kriege habe ich ständig extrem schwitzige Hände. Selbst wenn ich eigentlich nicht heiss habe und mich nicht angestrengt habe schwitze ich einfach. Diese Nebenwirkung gehört aber scheinbar eher zu den seltenen Erscheinungen. Falls jemand diese Nebenwirkung ebenfalls erlebt hatte und eine Erklärung oder Lösung dafür gefunden hat, dürft ihr mir liebend gerne schreiben.

BEZÜGLICH DEINEM STIMMUNGSTIEF: Mir wurde das so erklärt, dass du eine Reserve gespritzt kriegst und diese kontinuierlich aufgebraucht wird. Solange dein Testosteronwert über dem liegt, was du vor dem Verlust der Hoden hattest solltest du dich fit fühlen. Ich brauche alle 9 wochen eine Spritze um nie unter dieses Level zu gelangen, nach 3 Wochen sollte also noch nichts bemerkbar sein.
Dass du aber nicht super Laune hast kann ich gut verstehen, es ist ja auch alles noch sehr frisch.

FÜR DIE ALLGEMEINHEIT MÖCHTE ICH NOCH ANFÜGEN HABT KEINE ANGST VOR DER CHEMO! Ich möchte niemandem zu nahe treten, der unter der Chemo Schlimmes durchgemacht hat und kann natürlich nur für mich sprechen.

Ich musste zwei Monate (3 Zyklen) Chemo machen und habe es gut überstanden. Ich bin während der Chemo sogar Joggen und im Rhein schwimmen gegangen und insbesondere habe ich mich (entgegen der in Filmen verbreiteten Meinung) kein einziges Mal übergeben. Es fühlte sich in etwa so an wie wenn man eine Grippe am auskurieren ist. Ich hatte körperlich weniger Kraft und brauchte mehr Schlaf, insgesamt war das Ganze aber gut zu überstehen.

Ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft

PS: Falls du noch mehr wissen willst oder sonstige Fragen hast, darfst du mir auch gerne direkt schreiben.

breathein88
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Re: Mein Weg

Beitragvon breathein88 » Mo 4 Dez 2017 11:27

LIeber Cedric

Vielen Dank für deinen Text! Schön, dass Du dir Zeit genommen hast, mir zu antworten. Ich schätze dies sehr.

Ich nehme Deine Anmerkungen sehr gerne zur Kenntnis. Zwischenzeitlich haben sich meine Stimmungsschwankungen gebessert und auch sonst kann ich mich, was das künstlich zugeführte Testosteron angeht, keineswegs beklagen.

Nun habe ich am Freitag bescheid erhalten, dass meine Tumormarker wieder steigen. Es wurde nochmals Blut genommen um eine Überprüfung durchzuführen - Befund hat sich bestätigt, die Werte haben sich bereits verdoppelt.

Nächster Schritt Chemotherapie. Du hast diese ja bereits angesprochen. Bei mir wird genau das gleiche vorgehen statt finden - 3 Zyklen à je 3 Wochen. Nächste Woche wird die Behandlung von Montag bis Freitag statt finden. Ein etwas mulmiges Gefühl habe ich schon und wäre Dir sehr dankbar, wenn Du mir einige Erläuterungen zur Chemotherapie geben könntest. Wenn du magst natürlich auch gerne via private Nachricht!

Wie hast Du die Situation erlebt.. mit welchen Nebenwirkungen hattest Du zu kämpfen? Übelkeit anscheinend nicht (was mich sehr freut zu hören). Hattest Du Haarausfall? Warst Du dir immer sicher, die Situation gut zu überstehen? Wo hat sich der Krebs metastasiert?

Es wurde mir zwar mitgeteilt dass die Heilungschancen bei 90 % liegen - meiner momentane Einschätzung und im Vergleich zum absolut kleinen Risiko, 3x an dem Krebs zu erkranken, finde ich dies zwar hoch aber trotzdem verunsichernd.. wie bist du mit der Situatoin klargekommen?

Würde mich sehr freuen wieder von Dir zu hören.

cristalli
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Re: Mein Weg

Beitragvon cristalli » Di 12 Dez 2017 8:44

Hallo breathein88

Alle paar Monate begebe ich mich mal wieder auf dieses Forum und schaue, was sich so tut. Nun habe ich soeben festgestellt, dass du dich momentan mitten in der Therapie befinden musst.
Ich möchte dir herzlich viel Kraft wünschen und hoffe, dass alles so verläuft, wie du es dir wünschst.
Viele liebe Grüsse c.

cedric92
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Re: Mein Weg

Beitragvon cedric92 » Mo 18 Dez 2017 8:53

Lieber "breathein88"

Sorry, dass ich erst jetzt schreibe. Eigentlich habe ich eine PN versandt, aber die ist im Postausgang hängen geblieben. Nun also trotzdem im Forum.

Dass du einen Rückfall hast tut mir schrecklich leid. Du hast wirklich schon genug durchgemacht und irgendwann muss es auch wieder bergauf gehen. Ich hoffe sehr für dich, dass dieser Moment jetzt endlich gekommen ist.
Ich hatte eine Chemo mit drei Zyklen à je drei Wochen, wobei ich nur jeweils in der ersten Woche täglich behandelt wurde. Du hast vermutlich wirklich die genau gleiche Behandlung.
Ich habe mir damals im Voraus alles Mögliche durchgelesen, was ich zu dem Thema gefunden habe. Im Nachhinein muss ich sagen, dass all die aufgelisteten Probleme in Broschüren wohl eher als Verpackungsbeilage zu verstehen sind. Soll heissen, da ist alles Mögliche, was irgendwie passieren könnte aufgelistet. Von den meisten erwähnten Dingen wirst du aber vermutlich verschont bleiben, lass dich also nicht einschüchtern.

Meine Ableger waren in der Lunge und nicht allzu gross. Ich hatte eigentlich nie Angst davor, dass ich das Ganze nicht überleben würde. Mit dem Krebs per se bin ich dementsprechend immer recht gut klargekommen, ich habe dafür mehr mit den restlichen Folgen (Hormontherapie / Künstliche Befruchtung) zu kämpfen. Mir hilft einfach die Tatsache, dass es eine der am besten behandelbaren Krebsarten ist und ich selbst bei einem unwahrscheinlichen Rückfall nicht schlechter dran bin, sondern einfach wieder von vorne beginnen muss.
Wie sehr und wohin hat's denn bei dir gestreut?

Zuerst einmal zu den Spätfolgen:
Das einzig Bleibende bei mir sind ein paar wenige kleine, bläuliche Hautflecken. Das sieht man aber nur, wenn man genau hinsieht.

Nebenwirkungen während der Chemo:
Wie bereits erwähnt habe ich mich während der ganzen Chemo kein einziges Mal übergeben. Ich hatte zwar einen komischen Bauch aber mehr im Sinne von Unwohlsein als echte Übelkeit. Die Medikamente gegen Übelkeit tun also ihre Arbeit.
Haarausfall ist bei dir wohl nicht zu vermeiden, bei mir war‘s so etwa nach 3 Wochen. Ich hab sie gelassen, bis sie begannen auszufallen und dann gleich ganz rasiert. Insbesondere würde ich dir empfehlen Freunde und Verwandte schon vorher zu informieren, falls du das nicht längst hast. Ich habe das nicht gemacht und mich deswegen, um es zu verheimlichen, zurückgezogen. Letztendlich erfahren es ja dann doch irgendwie alle.
Das geschwächte Immunsystem ist ein Problem. Ich habe es überstanden ohne mich zu erkälten, andere hat es erwischt und ich glaube dann ist das Ganze doch einiges schlimmer. Schau also irgendwie, dass du nicht krank wirst, ich hatte es da ein bisschen einfacher, bei mir war Sommer.
Mein Appetit war überhaupt nicht gemindert. Im Gegenteil ich habe sogar ein wenig zugenommen.
Die Müdigkeit macht sich deutlich bemerkbar, da du aber hoffentlich krankgeschrieben bist, sollte das akzeptabel sein. Ich konnte schon normal Ausflüge machen und etwas unternehmen ich war einfach schon jeweils um 18:00 relativ müde.
Ansonsten musst du halt ständig auf’s Klo, da du extra viel trinken solltest und Infusionen kriegst. Aber auch das ist mehr mühsam als richtig schlimm.

Zum Gefühl:
Ich hatte 80% Erfolgschancen und habe seit der Chemo keine negative Nachricht mehr bekommen. Ich mache mir im Alltag eigentlich kaum Sorgen über einen Rückfall auch nicht kurz vor den Terminen. Nur der erste Termin, wo kontrolliert wird, ob alles wunschgemäss geklappt hat, war psychologisch eine Folter. Da würde ich nicht alleine hingehen.

Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass es jetzt nur noch bergauf geht.

PS: Falls du noch mehr Fragen hast schreib einfach weiterhin.


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