Partnerschaft/Sexualität nach Prostataentfernung


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Ehefrau
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Partnerschaft/Sexualität nach Prostataentfernung

Beitragvon Ehefrau » Di 15 Apr 2014 9:59

Hallo zusammen
Meinem Mann (52) wurde 2012 die Prostata ohne Nerv Schonung (inkl. Samenblase und 12 Lymphknoten) entfernt, Gleason score 7b, die Lymphknoten waren nicht befallen. Anschliessend wurde er noch über 33 Mal bestrahlt. Folgen: Impotent ja, Inkontinent nein, Lust auf Sex ja.
Ich bin 38, die Diagnose haben wir 4 Tage vor unserer Heirat erhalten, „in guten wie in schlechten Tagen“ bekommt da eine ganz andere Bedeutung.
Wir waren uns beide nicht wirklich bewusst was auf uns zu kommt, obwohl ich mich mehr im Internet informiert habe als mein Mann, merkt man erst was diese Diagnose bedeutet, wenn man es durchlebt hat. Im Nachhinein ist vor allem mein Mann froh, dass er nicht alles wusste oder es ihm nicht bewusst war, er hatte insgeheim die Hoffnung, dass die Nerven geschont werden können, zumindest einseitig, aber während der OP sah der Professor wohl, dass das keine gute Idee ist, der Krebs war sehr weit fortgeschritten.
Meinem Mann geht es gut, und der PSA Wert ist nach wie vor < 0.05. Wir sind uns bewusst, dass das auch wieder ändern kann, aber wir sind zufrieden, aber vor jeder Blutentnahme immer wieder sehr nervös.
Was aber eine grosse Belastung ist für uns ist die Sexualität. Obwohl mein Mann Lust hat und er immer schon zuerst für mich und erst dann für sich schaute, ist es jetzt ganz anders. Wir waren „früher“ sehr spontan, was jetzt natürlich gar nicht mehr geht. Caverject ist der reinste Horror, mein Mann hat nur schon Schweissausbrüche, wenn er dran denkt und irgendwie passt es nie, wenn er den Sex plant, dann passt es vielleicht grad für mich nicht, frau ist ja auch keine Maschine und wenn ich dann nicht grad reagiere wie er erwartet, dann ist trotz Spritze tote Hose, womit bewiesen wäre, dass es eine reine Kopfsache ist. Mir fehlt, dass ich meinen Mann nicht mehr verführen kann, ihm ist es dann immer unangenehm und es kommen dann so Sprüche wie: das ist verlorene Müh, da geht ja nichts mehr…
Ich habe etwas Angst vor der Zukunft, ich hoffe sehr, dass mein Mann und ich die nächsten 40 Jahre gesund und glücklich und zusammen sind.
Alles was ich will ist meinen Mann, aber im Moment stecken wir in einer Sackgasse, ich bin unzufrieden und das merkt mein Mann, für ihn ist es eine doppelte Belastung, einerseits für ihn selbst und andererseits wenn er an mich denkt. Ich komme mir dann auch so undankbar vor, ich sollte doch froh sein, dass mein Mann alles gut überstanden hat und es ihm gut geht, was ich wirklich auch bin und jeden Tag bin ich dankbar dafür , aber so gehen die Tage vorbei, wir stehen auf, gehen zur Arbeit, kommen nach Hause, essen zu Abend, gehen ins Bett und das ganze wieder von vorne. Im Urlaub haben wir einen einzigen Versuch unternommen, am Schluss haben wir beide geweint, geweint um das wie es mal war und das war es dann.
Manchmal habe ich eine riesen Wut und Aggression in mir, wieso mein Mann??? Wieso so früh??
Habt Ihr Ratschläge oder Adressen an die wir uns wenden können? Sollen wir uns einfach damit abfinden und froh sein, denn es könnte schlimmer sein? Wir sind uns bewusst, dass es Leute gibt, die schlimmer dran sind, meine Schwester ist letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben mit knapp 55.
Danke jetzt schon für Eure Antworten.

Hvielemi
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Leben

Beitragvon Hvielemi » Di 15 Apr 2014 19:32

Liebe Ehefrau

Ihr habt wirklich kein einfaches Hochzeits-"Geschenk" bekommen,
aber immerhin sind die Lymphknoten sauber und der PSA
bleibt unten, dein Mann hat also eine gute Chance, im
zweiten Anlauf als 'geheilt' zu gelten, auch wenn diese
Heilung Spuren hinterlässt.
Damit bleibt das Testosteron oben und dementsprechend
reisst diese belastende Kluft auf zwischen 'Wollen' und 'Können'.
Das ist in der Tat eine schwierige Situation, die sich nur in
seltensten Fällen durch die Neubildung von Nervenbahnen
nach Jahren von selbst korrigiert.
Das implantieren von künstlichen Schwellkörpern ist wohl
eine der Möglichkeiten, aber die ist risikoreich in Bezug auf
die Verträglichkeit, sowohl körperlich, als auch seelisch.
Lies dazu viele Beiträge im forum.prostatakrebs-bps.de
unter dem Suchbegriff 'Implantat'.

Eine andere, auch nicht einfache Lösung ist, sich vom
Wunsch des klassischen Beischlafes zu lösen und andere
Formen körperlicher Befriedigung und Zärtlichkeit zuzulassen.
Als ich zu Beginn der Antihormontherapie noch über ein wenig
Libido verfügte, hatte ich bemerkt, dass die Orgasmusfähigkeit
nicht von der Erektion abhängt. Also sprich nicht viel darüber,
sondern schau, ob Du ihm eine Freude bereiten kannst,
vielleicht wird er sich gelegentlich revanchieren und ihr findet
ein ganz hübsches Liebesgärtchen, in dem man sich einrichten
kann, so gut es eben geht.

Die Frage nach dem 'Warum' und 'Wieso jetzt' bringt Euch nicht
weiter. Es ist nun mal so, es hat Deinen Mann getroffen, es hat
mich getroffen und Tausende andere Männer getroffen. Uns
Allen bleibt, mit dem zu leben, was geblieben ist - Und das ist
nicht wenig!

Carpe diem!
Hvielemi

Irma
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Sexualberatungsstellen

Beitragvon Irma » Mi 16 Apr 2014 16:24

Liebe Ehefrau,

Die Prostatakrebserkrankung hat in Ihrer Beziehung einiges durcheinander gebracht. Nicht nur der Schock und die Angst über die Erkrankung haben Sie beide zutiefst aufgerüttelt, auch Ihre Paarbeziehung und Ihre Sexualität leiden darunter.
Sexualität und Beziehung sind eng miteinander verbunden und es lohnt sich, daran zu arbeiten, darüber zu reden und wenn nötig Hilfe zu holen und eine Fachperson beizuziehen.

Der Verlust von vertrauter Sexualität löst oftmals Trauer und Angst aus. Diese kann in eine Rückzugsspirale führen. Aus Angst, den Partner oder die Partnerin zu verlieren, zu verletzen, zurückgewiesen zu werden, oder aus Angst, nicht mehr zu genügen, ziehen sich beide Partner zurück, ohne einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. Wie Sie selber erlebt haben, verstärken diese negativen Gefühle auch die Erwartungshaltung und führen schliesslich zu einem unüberwindbaren Hindernis.

Sprechen Sie mit Ihrem Partner über Ihre Gefühle und Bedürfnisse und auch darüber, was er sich von Ihnen wünscht.
Vor einem solchen Gespräch mit Ihrem Partner sollten Sie sich auch über Ihre eigene Einstellung zur Sexualität im Klaren sein. Wählen Sie den Zeitpunkt für ein Gespräch sorgfältig, denn es braucht Zeit und einen passenden Ort, an dem Sie sicher sind, nicht gestört zu werden. Mit Liebe, Offenheit, Toleranz, gegenseitigem Respekt und Anerkennung ist es möglich, gemeinsam diese Hürde zu meistern.

Organisieren Sie einen romantischen Abend nach Ihrem Geschmack, vielleicht mit Kerzen und einem Glas guten Weins, aber wenn möglich ohne Erwartungsdruck. Vielleicht hilft Ihnen beiden auch das gemeinsame Anschauen eines Videos, um in Stimmung zu kommen.

Finden Sie sich nicht einfach mit der Situation ab, sondern suchen Sie Hilfe und Unterstützung. Sie fragen nach Adressen von Therapeuten, an die Sie sich wenden können.
Nachfolgend eine Liste mit Beratungsstellen für Paar- oder Sexualberatung in der Schweiz:

https://www.paarberatung.ch/60.php?m=60&s=60
http://www.gesund.ch/index.html?info?/verzmeth/sex.htm
http://www.praxis-info.ch/sexualberatung.htm#schweiz
http://www.praxis-sexualberatung.ch/sit ... sprache=de

Regional:
St.Gallen: http://www.sexualberatung-prisca-walliser.ch/
Aargau: http://www.lafontana-quinte.ch/sexualtherapie.html
http://www.praxis-sexualberatung.ch/sit ... sprache=de
Zürich: http://www.ziss.ch/team/default.htm


Informationen, viele Tipps und Hinweise zum Umgang mit veränderter Sexualität nach einer Krebserkrankung finden Sie auch in den beiden Broschüren der Krebsliga Schweiz
Männliche Sexualität bei Krebs und
Weibleich Sexualität bei Krebs.

Auch auf der Internetseite von Stefan Zettl aus Deutschland, einem Spezialisten in Sexualtherapie, finden Sie viele weiterführende Links. http://www.stefan-zettl.de/index.html

Ich wünsche die nötige Kraft, durchzuhalten und grüsse Sie freundlich

Irma, Moderatorin

Hanspi2000
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Es gab bei mir einen wunderbaren Weg!!

Beitragvon Hanspi2000 » So 6 Jul 2014 16:57

Hallo Irma und lieber "Kollege"
Ich war vor 3-4 Jahren in der gleichen Situation. In der Nacht vor der OP habe ich bewusst Abschied genommen von der schönsten Sache der Welt. Doch auch bei mir blieb die Lust...
Auf der aktiven Suche getrauten wir uns zusammen in ein Tantra Studio. Schon nach ganz kurzer Zeit erlebten wir Beide eine wunderschöne Neuenddeckung des zärtlichen Beisammenseins!! Wir haben in der Zwischenzeit eine total befriedigende Sexualität - etwas Anders - aber wunderschön. Inzwischen haben wir sogar das Gefühl, dass wir nichts verloren haben sondern ganz viel gewonnen!!

Sabina
Beiträge: 1
Registriert: Do 17 Nov 2016 21:25

Re: Partnerschaft/Sexualität nach Prostataentfernung

Beitragvon Sabina » Do 17 Nov 2016 21:59

Die erektile Dysfunktion auch Impotenz muss nicht das Ende der sexuellen Aktivität bedeuten. In der Regel ist die Lust und Orgasmusfähigkeit nicht beein-trächtigt.

Als bei meinem Mann Prostatakrebs diagnostiziert wurde, war er erst 58 Jahre alt. Die Operation sollte bald möglichst erfolgen. Die Ärzte erklärten, dass nur mit einer radikalen Prostataektomie der Tumor restlos entfernt werden könne. Somit war bald klar, dass Inkontinenz und Impotenz die Folgen der Operation sein würden.
Wenige Wochen nach der Operation war die Inkontinenz kaum mehr ein Problem. Mit einem gut trainierten Beckenboden funktionierte bald alles gut.

Doch dass sich tatsächlich nichts mehr regte wie sonst, war erst einmal sehr ungewohnt. Vom Arzt bekamen wir verschiedene Hilfsmittel zum Ausprobieren: Muse, Caverject und die Penispumpe (Vakuum).
Doch bei all diesen Handhabungen war die sinnliche Stimmung im Nu verflogen, die Lust hatte sich bald verabschiedet.

Ich hatte kurz vorher die Ausbildung zur Tantramasseurin abgeschlossen. Dank meinem Wissen und den Erfahrungen war uns klar, dass das Erleben von Lust und Orgasmus keine Erektion voraussetzt. Ganz im Gegenteil, die Berührungen am nicht erigierten Penis können sehr intensiv und lustvoll sein.
Auch mein Mann hatte schon Kurse besucht und die Intimmassage der Frau kennen gelernt und auch als Paar hatten wir gemeinsam Massagekurse besucht.

So war uns klar, wie wir mit der Veränderung umzugehen hatten: Den Stress mit der Erektion und der Glaube, dass „richtige“ Sexualität nur die Penetration sei, konnten wir hinter uns lassen.
Bei der Massage des Partners sind die Rollen verteilt. Der Empfangende darf geniessen, muss nichts tun und auch nicht gleich etwas zurückgeben.
Als Gebender kann man sich ganz auf seine Tätigkeit einfühlen und mit Achtsamkeit und Liebe die Berührungen schenken.

Wir lernten auch noch die „weiche Penetration“ kennen, was etwas Übung und auch die Bereitschaft zu einer meditativen Begegnung, ja gar zu einem spirituellen Erleben führen kann.

Ich möchte hier allen Paaren Mut machen, die verzweifelt sind, weil sie ihr bisheriges Sexualleben verloren haben. Sprecht miteinander über die Ängste und Nöte und probiert Neues aus.
Besucht zusammen einen Workshop oder lasst euch von einer Tantramasseurin oder einem Tantramasseur die Intim-Massage für den Mann und die Frau zeigen.

Informationen und weiterführende Links gibt es auf der Webseite des neu gegründeten Vereins: http://www.foerderverein-tantramassage.ch

Wer neugierig genug und auch mutiger ist, melden Sie sich für einen Gruppenkurs an. Man/frau kann alleine daran teilnehmen oder sich als Paar anmelden. Dabei entscheiden das Paar selber, ob sie während des Kurses zusammen massieren wollen, oder ob sie offen sind für Kontakte mit anderen.
Um die Kursleitung vorgängig kennen zu lernen, werden Informationsveranstaltungen angeboten.

Anbieter von Kursen und Massagen finden Sie ebenfalls unter http://www.foerderverein-tantramassage.ch.
Anbieter mit einer Ausbildung als Sexological Bodyworker verfügen über Kenntnisse und Erfahrung in der somatischer Körperarbeit. Mit verschiedenen Methoden, wie Berührung, Atmung, Bewegung, Massage und Kommunikation werden Sie während eines abgesprochenen Zeitrahmens begleitet und unterstützt.

Aktuelle Informationen findet man in der Broschüre der Krebsliga „Weibliche Sexualität bei Krebs“. Die Broschüre für die männliche Sexualität ist in Überarbeitung. Die Erscheinung ist demnächst geplant.

Ich bin überzeugt, man kann als Mann und als Paar trotz Impotenz zurückfinden zu einer freudvollen, achtsamen und lustvollen Sexualität.

Weitere Fragen beantworte ich gerne.


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