Knochenmetastasen aber keine Behandlung


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kallen
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Knochenmetastasen aber keine Behandlung

Beitragvon kallen » Do 21 Sep 2017 19:05

nachdem man im Jahre 2008 bei mir ein Prostata-Ca. festgestellt hatte (Gleason Score 6) wurde ich nach dem Konzept "active Surveillance" behandelt, d.h. eben nicht behandelt. Mir wurde immer gesagt das sei eine harmlose Sache.

Nach 7 Jahren hat man endlich ein MRT gemacht und festgestellt, dass der Krebs über die Prostatakapsel hinausgewachsen war. Ich wurde dann zeitnah operiert (DaVinci) pT3a, Pn1 L1 MX G3/G2 RO, Gleason-Score= 7. - Schon kurz nach der OP wurde ein Ansteigen des PSA-Wertes mit einer Doubling-Time von ca 3 Monaten festgestellt. Mein Urologe wollte weiter zuwarten mit Watchful waiting Konzept.

Ich wechselt dann an eine UNI-Klinik. Dort wurde eine Gallium-PMSA PET.CT Untersuchung vorgenommen (Juli 2017). Es wurden dabei ossäre Metastasen gefunden.

Sofort wurde von einer Hormontherapie gesprochen. Dann kam ein Chefarzt dazu und empfahl vorläufig keine Therapie anzubieten.
Der Grund: ich habe eine Fatigue unklare Ursache und vor einigen Jahren hatte ich eine mittelschwere Depression. Dieser Arzt meinte nun, dass die Depression zurückkehren könnte und sich auch das Fatigue verschlimmern könnte.

Ich verstehe die Welt nicht mehr. Zuerst wartet man 7 Jahre (aktive Surveillance), jetzt wartet man wieder weil sich die Depression zurückmelden könnte (Watchful waiting).

Ich habe den Eindruck, dass die Ärzte denken, dass sich dieses Problem selbst erledigt. Ich bin 74-jährig, alleinstehend, beziehe AHV und bin somit für diese Gesellschaft nicht mehr zumutbar. - Was ist mein nächster Schritt?

Hvielemi
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Re: Knochenmetastasen aber keine Behandlung

Beitragvon Hvielemi » Fr 22 Sep 2017 20:05

Lieber Kallen

Zunächst mal meinen Glückwunsch zu dem Mut, Active Surveillance durchzuziehen.
Damit hast Du die sieben Jahre "ohne Krebs" gewonnen.

Nun hast Du im PSMA-PET leider Knochenmetastasen gefunden.
Metastasen, die nachweisbar werden, haben seit ihrer Entstehung aus einer
aus dem Tumor abgeschwemmten Zelle etwa dreissig Verdoppelungs-Zyklen
hinter sich.
Bei einer PSA-Verdoppelungszeit (VZ), die etwa die Tumormassen-Verdoppelungszeit
wiedergibt, von drei Monaten wären diese Metastasen vor etwa 7.5 Jahren
entstanden, also sogar noch vor deiner Primärdiagnose. Nach einer RPE wärest Du
als "gesund" betrachtet worden, hättest jetzt aber genauso ein PSMA-PET erhalten
und in etwa mit dieselbe Diagnose.
Es hätte sich also gegenüber der jetzigen Situation wenig verändert, ausser dass
Du sieben Jahre ohne Prostata und vielleicht impotent und inkontinent hättest
leben müssen.

Fatigue ist ein heikles Thema, ich kenne das von mir selbst. Aber ich fühle mich
nicht dazu berufen, viel darüber zu schreiben.
Nur soviel:
Mit einer ausgeprägten Fatigue hättest Du deine Anfrage nicht, oder wenigstens
nicht so präzise geschrieben.


Zu den möglichen Therapien von Knochenmetastasen**:
Da ist vor allem mal die Androgendeprivation (Chemische Kastration) im
Vordergrund, die, wenn es gut geht, das Metastasenwachstum für viele Monate
oder gar für Jahre verzögert. Wenn es nicht so gut geht, bringt diese Therapie
aber die Fatigue wieder zurück. Schwächen tut sie auf jeden Fall.
Eine Chemotherapie kommt wohl nicht in Frage, eben wegen der bereits
gehabten Fatigue.


Weitere Optionen bietet die Nuklearmedizin:
Alpharadin (Xofigo) ist Radium, das sich anstelle von Calcium in aktive Zonen
der Knochen einlagert, also in die Metastasen. Dort zerfällt es unter
Aussendung von alpha-Strahlen, die die Metastasen von Innen her bestrahlen.

Eine andere Methode ist es, An den PSMA-Liganden, mit dem dein PET
gemacht wurde, nicht Gallium68 zu binden, sondern Lutetium177. Dieser
beta-Strahler wird dann genau so angereichert, wie man es im PSMA-PET
gesehen hatte. In den Metastasen zerfällt das Lutetium unter Aussendung
von beta-Strahlen, die ebenfalls die Metastasen von Innen bestrahlen.
Das mache ich derzeit in Heidelberg (wird in der Schweiz noch nicht
angeboten) in Zyklen von etwa vier Monaten. Dabei habe ich das PSA in
jedem Zyklus jeweils auf etwa 12% des Ausgangswertes zusammengestaucht.
Dann allerdings wachsen die Knoten wieder (bei mir mit VZ 15 Tage), aber
ich habe jetzt immerhin ein ganzes Jahr gewonnen, und werde wohl noch
weitere Zyklen anhängen können.

Ein Problem sind wohl die Kosten: Xofigo wird im Allgemeinen erst bezahlt,
wenn man die ganze Litanei mit Hormontherapie und Chemo durchgeleiert
hat, aber dieser Professor, der dich auf Wachsames Abwarten schicken will,
soll halt einen Brief schreiben, in dem er begründet, warum eben nicht.

Ob die Lutetium177-PSMA-Therapie in Deutschland von Kassen in der
Schweiz bezahlt werde, werde ich demnächst erfahren, denn ich habe die
Rechnung erst kürzlich zur Rückerstattung eingereicht.

Eine weitere Methode gegen Knochenmetastasen ist, diese gezielt per
CyberKnife oder mit einer anderen stereotaktischen Maschine in einer
bis fünf Sitzungen bestrahlen zu lassen.
Das hatte bei mir prompt gewirkt (TomoTherapie in St. Gallen, einmal 8gy,
und auch gegen die haarsträubensten Lymphknotenmetastasen half mal
eine fünfmalige Bestrahlung mit dem Cyberknife am Inselspital, Bern).


All diese Therapien werden aber nicht verhindern können, dass früher oder
später weitere Metastasen sichtbar werden und die bekannten wieder
nachwachsen können. Deshalb ist es gar nicht so blöd, abzuwarten und erst
dann zu therapieren, wenn es weh tut oder sonstwie stört.
Aber eben:
Ich bin nicht berufen, das Abwarten gegen die aktive Behalndlung abzuwägen.
Das ist etwas, was nur Du zusammen mit deinen Ärzten entscheiden kannst.


So, das war jetzt wohl etwas viel, bei Fragen steh ich gerne zur Verfügung.
Ich wünsche Dir stets den richtigen Entscheid
Hvielemi


**Alles, was Du als Patient über fortgeschrittenen Prostatakrebs wissen solltest,
findet sich im fortlaufend nachgeführten "Basiswissen" von Ralf-Rainer Damm,
der selbst von unserer Krankheit betroffen ist
http://www.prostatakrebse.de/informatio ... %20Rat.pdf

kallen
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Re: Knochenmetastasen aber keine Behandlung

Beitragvon kallen » So 24 Sep 2017 20:54

Hallo Hvielemi,

herzlichen Dank für die guten Informationen.

kallen

kallen
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Re: Knochenmetastasen aber keine Behandlung

Beitragvon kallen » Mo 23 Okt 2017 17:35

Wie ich dargelegt habe werde ich trotz Knochenmetastasen nicht behandelt. Die Ärzte begründen dies mit den zu erwartenden Nebenwirkungen. Erst nach 6 Monaten wollen sie mich wieder sehen. Ich spüre aber jeden Tag, wie die Krankheit voranschreitet (Müdigkeit, zunehmende Schmerzen und Hoffnungslosigkeit).

Bin ich wirklich ein Einzelfall? Gibt es in der weiten Welt niemand der Ähnliches erlebt?
Sollte es so sein, dann bitte ich die Forumsleitung mein Thema zu löschen!

Ein nachdenklicher Kallen

Hvielemi
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Re: Knochenmetastasen aber keine Behandlung

Beitragvon Hvielemi » Mo 23 Okt 2017 17:52

Lieber Kallen

Jeder Urologe macht dir eine Hormondeprivetion.
Du kannst anfangen mit einer Spritze Dagarelix (Firmagon(R).
Die senkt quasi über Nacht dein Testosteron so, dass der Krebs
nicht mehr weiterwachsen sollte. Das spüre man innert Tagen am
sinkenden Schmerzlevel, berichten Knochenschmerz-Betroffene.

Lästig an diesem Medikament ist, dass an der Einspritzstelle
eine grosse Reizung entsteht, ähnlich einem überdimensionierten
Brämenstich. Nach 10 Tagen etwa ist das vorbei, aber schon nach
einem Monat ist die nächste Spritze fällig.
Deshalb kannst Du nach einem Monat auf Leuprorelin (Lucrin)
umsteigen, zunächst mit einer Monatspritze, und wenn sich die
Befürchtungen des Professors nicht bewahrheiten, ist es
möglich, die bequemen Dreimonate-Depots spritzen zu lassen.

Wenn das wider Erwarten nicht wirken sollte, gibt es auch noch
"Zweitlinien"-Hormontherapien, Abiraterone und Enzalutamid.

Und bei Zweifels stellst Du dich halt an einem anderen Kantons-
oder Unispital vor zwecks Zweitmeinung. Die haben Tumorboards,
in denen sich Ärzte verschiedener Fachrichtungen treffen.

Alles Gute
Hvielemi

kallen
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Re: Knochenmetastasen aber keine Behandlung

Beitragvon kallen » Mo 23 Okt 2017 18:16

Ich gehöre offensichtlich in eine andere "Patientenkategorie" als sie Hvielemi!
Ich melde mich darum von diesem Forum ab und sage Tschüss!

Hvielemi
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Re: Knochenmetastasen aber keine Behandlung

Beitragvon Hvielemi » Mo 23 Okt 2017 21:31

Lieber Kallen

Auch ich gehöre zur Gruppe der fortgeschrittenen Prostatakrebs-Betroffenen.
Ich habe mir Mühe gegeben, darzulegen, was möglich wäre.
Ich bin aktiv im Selbsthilfe-Bereich, sowohl lokal (St. Gallen) als auch im Netz.

Ärzte, die einen schwerkranken Patienten nachhause schicken und ihn erst
in einem halben Jahr wieder sehen wollen, haben dein Vertrauen nicht verdient.


Du kannst dich mal an die BPS-hotline wenden, das ist der deutsche
Bundesverband Prostatakrebs-Selbsthilfe E.V., sehr kompetent!
http://www.prostatakrebs-beratung.de 0049 228 286 456 45


Tut mir leid, dass Du meine Beiträge als unpassend empfindest,
ich wünsche Dir alles Gute.
Hvielemi


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