4 Jahre danach...


Moderations-Bereich
7.10.2011
Beiträge: 1
Registriert: Fr 29 Jan 2016 20:18

4 Jahre danach...

Beitragvon 7.10.2011 » Fr 29 Jan 2016 20:41

Hallo Zusammen

Vor etwas mehr als vier Jahren habe ich meinen kleinen Bruder (13) verloren.. Kurz vor seinem 12. Geburtstag bekam er die Diagnose: Hirntumor.
Ein kerngesunder, aufgeweckter, lebenslustiger kleiner Junge plötzlich tot krank. Die ganze Familie ging durch die Hölle..
Ein Jahr nach der Diagnose bekam er von den Ärzten das Todesurteil, vier Operationen, Bestrahlungen, Chemotherapie, sogar fünf Flüge nach Belgien für eine spezielle neue Therapie, alles um sonnst, nichts konnte ihm helfen.
Wir konnten ihn nach Hause nehmen, so lange es ging. Die letzte Woche seines Lebens musste er im Krankenhaus verbringen.

Es ist etwas mehr als vier Jahre her, ich verspüre den Schmerz als sei es gestern gewesen. Dieses Stechen in der Brust, der Klos in der Kehle, dieses Gefühl der Ohnmächtigkeit. Es ist hier und jetzt immer da, vier Jahre nach seinem Tod. Manchmal plagen mich Albträume, jedoch erst seit kurzem. Der Schmerz beherrscht mich, zeichnet meinen Alltag ob ich will oder nicht.
Ich dachte, dass ich diesen Einschnitt in mein Leben verarbeitet habe, dass ich mit meinem Leben Vorfahren könnte, eine Zukunft planen könnte mit meinem Bruder im Herzen. Jedoch hält mich die Vergangenheit mehr und mehr wieder gefangen und ich kann mich nicht dagegen wehren...
Ich bin ohnmächtig dem Schmerz ausgeliefert..
Mich plagen Schuldgefühle, warum nicht ich? Warum er?
Warum konnte ich ihm in seiner Zeit als er noch bei uns war nicht mehr zeigen wie sehr ich ihn doch liebe... Wusste er als er ging wie sehr ich ihn liebe?
Wusste er das? ich weiss es nicht.. und werde es auch nie mehr erfahren...

Linda
Beiträge: 142
Registriert: Mi 13 Jul 2005 10:17
Wohnort: Neuchâtel

du und dein kleiner Bruder

Beitragvon Linda » Mi 3 Feb 2016 15:14

Hallo du,

Vier Jahre ist es her, seit dein kleiner Bruder von dir und deiner Familie gegangen ist. Eine lange Zeit, doch so kurz.
Du schreibst wunderschön, dass du deinen Bruder im Herzen trägst. Dein Schmerz ist gross und dich plagen Schuldgefühle, du möchtest ihm noch so viel sagen und erklären.
Hast du einmal versucht, ihm einen Brief zu schreiben, ihm zu sagen, wie sehr du ihn lieb hast und wie leid es dir tut, dass du ihm dies damals nicht zeigen konntest, weil auch du gelitten hast, vielleicht zu jung warst um zu begreifen, was gerade passierte? Vielleicht bringt es dir Erleichterung, deine Gedanken und Gefühle aufs Papier zu bringen, geschriebene Worte an ihn zu richten oder sogar mit ihm in einen mentalen Dialog zu treten.
Oftmals im Leben wird man durch irgendetwas, wie z.B. ein Bild, eine Geschichte, einen Duft oder auch durch Töne ganz fest an jemanden erinnert, den man sehr lieb hat oder hatte. Solche Momente können schön, aber auch schmerzhaft sein. Diese Momente, Erinnerungen z.B. in Gedanken mit dem Verstorbenen zu teilen, können helfen, den Schmerz zu überwinden. Auch Rituale können hilfreich sein und helfen mit der Trauer umzugehen. Vielleicht kannst du einen Brief, eine Zeichnung, oder auch einen Gegenstand aufs Grab legen, oder an einen bestimmten Ort, an dem du und dein Bruder glücklich wart.

Auch ich habe einen geliebten Menschen verloren. Er wird immer einen Teil von mir bleiben. Mir hilft es, wenn ich in bestimmten Situationen von ihm reden darf, ihn erwähnen kann, Erinnerungen wach rufe.

Was damals passiert ist, kannst nur du wissen. Aber eines weiss ich genau: Es ist weder deine Schuld, noch die Schuld deines kleinen Bruders, noch die von jemand anderem, dass dein kleiner Bruder krank wurde und starb. Dafür kannst du nichts. Vielleicht konntest du in der Zeit, als er so krank war, ihm gar nicht sagen, wie sehr du ihn lieb hattest, weil du selber mit der Situation nicht klar gekommen bist, dir vielleicht auch Niemand zur Seite gestanden ist, Zeit für dich gehabt hat, sich immer alles um ihn gedreht hat und du eifersüchtig warst. Vielleicht war dir dies auch alles gar nicht bewusst, und heute, 4 Jahre später, bist du älter und reifer geworden und siehst die Dinge aus einer anderen Perspektive, würdest vieles anders machen. Aber eben, damals warst du vier Jahre jünger und hast gemacht, was du damals konntest oder eben nicht konntest. Dein kleiner Bruder würde das sicher verstehen.
Such dir Hilfe wenn dich dein Schmerz weiterhin gefangen hällt. Es gibt Fachpersonen, die dir in Gesprächen und Therapien helfen, einen Weg aus diesem Schmerz zu finden, oder dir zumindest helfen, damit umzugehen, wenn du Freunde oder Familie nicht damit belasten möchtest.

Die Kinderkrebshilfe Schweiz oder auch die kantonale Krebsliga deiner Region kann dir Adressen vermitteln.

Herzlich
Linda

Ladina
Beiträge: 1652
Registriert: Do 4 Aug 2005 19:54
Wohnort: Kanton St.Gallen
Kontaktdaten:

Schuldgefühle

Beitragvon Ladina » Fr 5 Feb 2016 21:51

Hallo

Ich kann Deine Gefühle sehr gut nachvollziehen. Ich hatte selber genau diese Gefühle, als mein Bruder mit dem Down-Syndrom einen Herzstillstand erlitt und im Schulbus starb. Ich habe ihn sehr geliebt und er wusste das bestimmt - von früher noch.
Doch als er starb, war ich auf einer neuen Schule, ich hatte viel mehr Hausaufgaben und konnte eben einfach nicht mehr so oft mit ihm spielen. Als er gestorben war, plagten mich genau diese Schuldgefühle, die Du nun auch hast - manchmal habe ich sie heute noch, doch ein Seelsorger sagte mir, Daniel habe sicher immer gespürt, dass ich ihn liebe.

Ich kenne eine ganz tolle Seite - sie wurde von der Schwester eines Jungen gegründet, der auch an einem Hirntumor verstorben ist. Es ist eine Seite für Geschwister, die ein anderes Geschwister verloren haben.

Schau mal bei
http://www.sternenkinder-geschwister.ch/
vorbei.

Ich wünsche Dir einen entlastenden und helfenden Austausch mit anderen Geschwistern - vielen geht es wie Dir

Herzlichst
Ladina


Zurück zu „Trauernde“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste