2010 - Prostatakrebs


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2010 - Prostatakrebs

Beitragvon admin » Mi 25 Aug 2010 16:42

Herr Prof. Dr. George Thalmann, Direktor und Chefarzt der Klinik und Poliklinik für Urologie des Inselspitals in Bern, beantwortete Ihre Fragen:


Diese Antworten sind eine allgemeine Stellungnahme. Sie können nicht die persönliche Beratung durch eine qualifizierte medizinische Fachperson ersetzen. Soweit in einem Beitrag bestimmte Ärzte, Ärztinnen, Behandlungseinrichtungen oder Produkte genannt werden, dient dies nicht der Werbung oder stellt eine Empfehlung dar, sondern ist lediglich als Hinweis auf weitere Informationsquellen zu verstehen.

Einige Fragen und Antworten wurden in eine andere Landessprache übersetzt. Sollten Fragen oder Unklarheiten auftreten, wenden Sie sich bitte an die Fachberaterinnen vom Krebstelefon. Kostenlose Telefonnummer 0800 11 88 11 oder per E-Mail an helpline@krebsliga.ch



Frage von Ursus:
Guten Tag,
Kann Blut im Sperma ein Zeichen für Prostatakrebs sein? Wenn ja, reicht es, wenn ich zum Hausarzt gehe oder muss ich zu einem Spezialisten? Ich bin 52 Jahre alt, in welchen Abständen sollte ich mich auf Prostatakrebs untersuchen lassen?
Danke für die Antwort. Ursus

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag Ursus,
Blut im Sperma, auch Hämatospermie genannt, kann viele Ursachen haben. Meist sind sie auf einen harmlosen Grund zurück zu führen und verschwinden innerhalb weniger Wochen.
Mögliche Gründe für die Blutbeimengung können sein (nicht abschliessend): Entzündungen der Harnröhre, der Prostata, der Samenblase oder der Nebenhoden. In diesen Fällen wäre eine Antibiotikatherapie möglich. Auch Missbildungen und Prostatavarizen (knotig erweiterte Venen, wie Krampfadern) können einen Grund für die Hämatospermie sein. Des Weiteren wäre auch eine traumatische Verletzung im Genitalbereich eine mögliche Ursache.
Selten können einmal auch andere Erkrankungen oder ein Tumor zu einer Hämatospermie führen.
Bei wiederkehrender oder andauernder Hämatospermie sind weiterführende Untersuchungen notwendig und ein Besuch beim Hausarzt ist angezeigt. Bei einem möglichen Befund wird er Sie an den Facharzt weiterweisen.

Sie fragen in welchen Abständen Sie sich auf Prostatakrebs untersuchen lassen sollen.
Es gibt keine allgemeingültigen Richtlinien.
Die schweizerische Gesellschaft für Urologie (SGU) empfiehlt allen Männern ab 50 Jahren eine regelmässige Überprüfung der Prostata durch Tastuntersuchung mit Kontrolle des PSA – sofern eine therapeutische Konsequenz besteht. Das PSA (Prostataspezifisches Antigen) ist ein Eiweiss, das ausschliesslich in der Prostata gebildet wird (es verflüssigt das Ejakulat) und im Blut nachweisbar ist. Der Wert wird in Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) oder Mikrogramm pro Liter (mg/l) angegeben. Ein PSA-Gesamtwert 0 bis 4 ng/ml gilt als normal, wobei ein normaler Wert ein Prostatakarzinom nicht mit letzter Sicherheit ausschliesst.

Wenn ein Mann nahe Verwandte (Vater, Bruder, Sohn) hat, die schon an Prostatakrebs erkrankt sind, ist sein eigenes Risiko für Prostatakrebs etwa dreimal höher als für einen Mann ohne familiäre Belastung.
Lassen sie sich bezüglich Früherkennung von Prostatakrebs von Ihrem Hausarzt beraten. Er kann Ihnen Vor- und Nachteile erklären. Ob und welche Untersuchung für Sie das Richtige ist, kann danach besser entschieden werden.
Weitere Informationen finden Sie in der Broschüre
Früherkennung von Prostatakrebs


Frage von toni:
1. Antihormontherapie mit Zoladex 3-Monatsspritze: Ist eine alternierende Therapie möglich, mit zeitlichen Unterbrüchen oder muss die Therapie auch bei einem PSA Wert von 1.03 bei vermuteten Ablegern in den Lymphdrüsen dauernd angewandt werden?
2. Sind im gleichen Fall Ernährungsregimes empfehlenswert, Ernährungsberatung, als Komplementärtherapie?

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag Toni,
1. Der kontinuierliche Hormonentzug beim hormonabhängigen Prostatakrebs in fortgeschrittenem Stadium oder wenn Metastasen vorhanden sind, ist zurzeit Standard. Die intermittierende Hormonblockade beim hormonabhängigen, fortgeschrittenen Prostatakrebs, in der sich Therapiephasen mit Phasen ohne Therapie abwechseln, ist zurzeit noch nicht etabliert und sollte nur im Rahmen von Studien stattfinden.
Mit einer intermittierenden oder alternierenden Antihormonbehandlung erhofft man sich ein längeres Ansprechen auf die Therapie und eine bessere Lebensqualität in den therapiefreien Phasen. Bis jetzt konnte bei intermittierender Therapie keinen Nachteil für den Patienten festgestellt werden, die verbesserte Lebensqualität wurde in allen Studien dokumentiert.
Zum jetzigen Zeitpunkt weiss man, dass vor allem Prostatapatienten mit hormonabhängigem Tumor mit PSA Rezidiv ohne sichtbare Metastasen, Patienten mit Metastasen und kleiner Tumormasse, oder Patienten, die sehr unter dem Hormonentzug leiden, am meisten von der intermittierenden Hormontherapie profitieren. Endgültige Daten zum Überleben mit dieser Therapie stehen noch aus.
Wie lange Zoladex bei intermittierender Hormonblockade verabreicht wird und wie lange die Therapiepausen sein werden, wird im Voraus mit Ihrem behandelnden Arzt festgelegt und hängt in der Regel vom PSA Wert ab.

2. Die Ernährung kann viel zum Wohlbefinden beitragen und die Lebensqualität verbessern. Eine spezielle Diät bei Prostatakrebs gibt es nicht und wird auch nicht empfohlen. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass ungesättigte Fettsäuren, viel Gemüse (Kohlarten, gekochte Tomaten) und Früchte wie Granatäpfel möglicherweise von Nutzen sein können. Mehr über eine gesunde und ausgewogene Ernährung erfahren Sie in der Broschüre der Krebsliga
Eine ausgewogene Ernährung stärkt die Gesundheit.
Wenn Sie die Unterstützung einer Ernährungsberaterin in Anspruch nehmen möchten, können Sie sich an Ihren behandelnden Arzt wenden.


Frage von guep:
Bei PSA Anstieg nach OP (Rezidiv):
- Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen ausser der Hormonblockade, wenn MRI, Szintigramm, Röntgen keine Metastasen sichtbar machen?
- Gibt es neue Forschungsergebnisse für in absehbarer Zeit verfügbare Therapien in solchen Fällen?
- Ab welchem PSA Wert soll eine Hormonblockade begonnen werden? Und: Ist das abhängig von der PSA-Verdoppelungszeit?

Hier noch ergänzende Angaben zu meinen vorher gestellten Fragen:
Radikal OP Feb 2004 (Vor OP PSA 11.0, Pathologie nach OP: pT2c(m) pN0/0/8) Gleason 3+4, Score 7
PSA Wiederanstieg ab Juni 2004 -> Bestrahlung Okt/Nov 2004 + 18 Mte Zoladex,
PSA Wiederanstieg messbar ab Okt 2007 -> 6 Mte Zoladex
ab März 2008 PSA Wiederanstieg messbar ab Juni 2009 -> 6 Mte Zoladex
ab März 2010 (letzer PSA Wert März 2010: 2.5, PSAVZ 2.5 Monate)
Besten Dank für Ihre Antworten

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag guep,
Sie haben mir 3 Fragen gestellt:
1. Bei PSA Anstieg nach OP (Rezidiv):
Welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen ausser der Hormonblockade, wenn MRI, Szintigramm, Röntgen keine Metastasen sichtbar machen?

Nach totaler Prostataentfernung, einem Wiederanstieg des PSA-Wertes und nach erfolgter Radiotherapie ist die Hormonblockade in der Regel (siehe unten) die Standardtherapie.

2. Gibt es neue Forschungsergebnisse für in absehbarer Zeit verfügbare Therapien in solchen Fällen?
Es gibt verschiedene Forschungsergebnisse, welche in klinischen Studien zum Beispiel der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) oder der Europäischen Krebsforschungsgeselleschaft (EORTC) evaluiert werden. Universitäre Zentren oder grössere Kantonsspitäler sind in der Regel bei solchen Forschungsprotokollen involviert. Im klinischen Alltag haben sich diese Therapieansätze jedoch noch nicht etabliert.

3. Ab welchem PSA Wert soll eine Hormonblockade begonnen werden? Und: Ist das abhängig von der PSA-Verdoppelungszeit?
Nach einer radikalen Prostatektomie (operative Entfernung der Prostata) wird ein PSA-Anstieg von über 0,1 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) als Tumorrezidiv angesehen. Eine kurze PSA-Verdopplungszeit weist auf ein aggressives Tumorwachstum hin. Bei einer PSA-Verdoppelungszeit unter 12 Monaten ist eine Hormontherapie ins Auge zu fassen.



Frage von Konrad:
Hab gelesen, dass man mit Grüntee trinken Prostatakrebs verhindern kann. Stimmt das?

Antwort von Prof. Thalmann:
Nicht ganz.
Prostatakrebs kommt in Asien seltener vor als in Europa oder Amerika. Die Ursache ist nicht ganz klar. Man vermutet Umweltfaktoren, wovon die Ernährung ein Wesentlicher darstellt. Aufgrund der Tatsache, dass in Asien mehr Grüntee konsumiert wird als in der westlichen Welt, hat man diesen Faktor untersucht. In einer grossen japanischen Studie wurden deshalb 50‘000 Männer über ihren Grünteekonsum befragt. Durch das Trinken von Grüntee konnte zwar das Risiko an Prostatakrebs zu erkranken nicht gesenkt werden. Es zeigte sich jedoch, dass diejenigen Männer, welche 5 Tassen Grüntee pro Tag tranken, weniger häufig an fortgeschrittenem Prostatakrebs litten, als die Männer, welche keinen oder nur 1 Tasse Tee pro Tag tranken.

Man nimmt deshalb an, dass Grüntee das Fortschreiten von Prostatakrebs allenfalls verlangsamen, aber die Entstehung von Prostatakrebs nicht verhindern kann.



Frage von Roni44:
Prof. Thalmann,
Ich stehe vor der Entscheidung der optimalen Therapiewahl für meinen Fall.
Meine Daten:
Alter: 66
PSA 3.58
Biopsie: Mittelgradig,Signifikant
Stadium cT1c
Gleason Score 3+3=6 Bioptisch - 12% links, 5% rechts Prostatavolumen 35ml GK-
Skelettszintigrafie Keine Metastasen MRI, kleines Becken Prostatakapsel eventuell einseitig infiltriert.
Gleichwertigkeit: Können die Bestrahlungstherapien Brachytherapie und perkuntane Therapie (IMRT mit Organtracking /Goldmarker) gegenüber einer Ektomie als Gleichwertig bezeichnet werden – In Bezug auf Rezidivsicherheit, Inkontinenz, Darmfunktion & Überlebenswahrscheinlichkeit?
Bestrahlung: Wahrscheinlichkeit Sekundärtumor durch Bestrahlung selber?
Versagensstrategie: Welche Optionen, Therapien, verbleiben bei Versagen einer Strahlentherapie?
Diagnosesicherheit: Bei einer Bestrahlung kommt der Diagnosesicherheit eine noch höhere Bedeutung zu, da nach erfolgter Therapie die Prostata ja nicht manuell untersucht werden kann.
Nach Bestrahlung – bestehen Verfahren, ausser der Interpretation der PSA Werte, den Therapieerfolg zu beurteilen?
Freundliche Grüsse Roni44

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag Roni44,
Sie werfen verschiedene Fragen auf. Ich werde auf vier dieser Fragen eingehen. Grundsätzlich empfehle ich Ihnen jedoch, eine Zweitmeinung einzuholen. Eine fachärztliche Stellungnahme zur medizinisch sinnvollsten Therapie in Ihrem Fall setzt ein eingehenderes Studium Ihrer Krankenakten voraus. Die Fachberaterinnen des Krebstelefons 0800 11 88 11 werden Sie gerne an ein entsprechendes Kompetenzzentrum verweisen.

Sie möchten wissen, ob die externe Radiotherapie bzw. die Brachytherapie und die radikale Prostatektomie gleichwertig in Bezug auf die Rückfallquoten und die Lebenserwartung sowie auf ihre Nebenwirkungen sind.

Vergleichende Studien liegen keine vor. Die interne oder externe Bestrahlung, die 15 bis 30 % der Betroffenen erhalten, kann beim „low risk“- Prostatakarzinom langfristige Heilungsraten von bis zu 80 % erzielen und ist damit mit der radikalen Prostatektomie vergleichbar.

Die radikale Prostatektomie kann wie alle chirurgischen Eingriffe Komplikationen und Spätfolgen mit sich bringen, die mitunter von der Operationstechnik und der Möglichkeit nerven-schonend zu operieren abhängen: Bei Erhalt mindestens eines Gefäss-Nerven-Bündels sind in der Hand des Geübten die Inkontinenzraten unter 3% (tropfenweiser Harnverlust). Können die Gefäss-Nerven-Bündel nicht geschont werden, steigt das Risiko auf eine ausgeprägtere Inkontinenz auf rund 15% (bis 2 Einlagen pro Tag). Die Erektile Dysfunktion hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Möglichkeit der Nervenschonung, Alter u.a.m. Unmittelbar nach dem Eingriff sind die meisten Patienten impotent. Die erektile Funktion kann sich bis 4 Jahre nach dem Eingriff erholen und muss bis zu diesem Zeitpunkt medikamentös unterstützt werden. Die Anastomosenstenose (Verengung der Naht zwischen Harnblase und Harnröhre) tritt bei 1 bis 10 % der Patienten auf und kann mit einer Erweiterung behoben werden. Aufgrund der Lagerung bei der Operation kann es zu einer reversiblen Nervenschädigung kommen. Selten einmal kann es zu einer Verletzung benachbarter Organe wie dem Enddarm kommen.

Die häufigsten Nebenwirkungen der internen bzw. der externen Bestrahlung sind: Potenzverlust bei bis zu 50 %, rektale Blutung bei 2 bis 15 %, schwere Spätfolgen an Blase und Enddarm werden bei Gesamtdosen bis 75 Gy in weniger als 3 % diagnostiziert. (Quelle Deutsches Aerzteblatt/ Jg. 106/ Heft 22/29. Mai 2009).

Sie möchten wissen, wie hoch die Gefahr der Entstehung von Sekundärtumoren nach Radiotherapie der Prostata ist.

Die Wahrscheinlichkeit, durch eine Strahlentherapie an Krebs zu erkranken, liegt im Tausendstel Bereich; also von 1000 bestrahlten Patienten hat Einer ein erhöhtes Risiko, an einem weiteren Tumor zu erkranken, der durch die Strahlenbehandlung ausgelöst wurde.

Sie möchten wissen, welche Therapieoptionen bei schlechtem Ansprechen auf die Radiotherapie noch offen stehen.

Ist die Prostatakapsel durchbrochen, sind aber keine Metastasen nachweisbar oder hat der Tumor örtliche Lymphknoten oder andere Stellen des Körpers befallen, kann der Einsatz der Hormontherapie erwogen werden. Eine Hormontherapie hat zum Ziel, die das Krebswachstum fördernden Androgene (männlichen Geschlechtshormone) auszuschalten.

Die Chemotherapie kann angewendet werden, wenn der Tumor trotz Hormon- und/oder Strahlentherapie nicht unter Kontrolle gebracht werden kann.

Eine chirurgische Therapie ist nur in ausgewählten Fällen möglich und ist mit einem grösseren Inkontinenzrisiko behaftet. Umgekehrt wird eine Nachbestrahlung nach chirurgischem Eingriff besser toleriert und hat weniger funktionelle Einschränkungen zur Folge.

Sie möchten wissen, wie der Therapieerfolg nach Bestrahlung eingeschätzt werden kann.

Nach der Bestrahlung wird in erster Linie zur Beurteilung des Therapieerfolges der PSA-Wert regelmässig gemessen. Ausserdem sind Biopsien möglich um lebendes Tumorgewebe nachzuweisen.



Frage von Pietro:
Grüezi Herr Thalmann,
Vor 5 Wochen hatte ich (68-jährig) eine Prostataoperation (kleine Operation (Prostata geschält, da ich eine relativ grosse Restwassermenge hatte.)) Die Op ist gut verlaufen, das Wasser läuft wieder und alles ist "dicht". Bei der Nachkontrolle vor zwei Tagen hat mir der Arzt eröffnet, dass der Laborbefund kleine Krebszellen (im Mikrobereich) ergeben hat. Er hat gesagt, dass vorerst nicht zu unternehmen sei, ausser dass ich beim Hausarzt halbjährlich das Blut untersuchen lassen solle. Obwohl ich meinem Urologe vertrauen entgegenbringe, bin ich natürlich trotzdem etwas erschrocken. Kann man etwas zur Verbesserung der Situation machen oder ist man zum passiven abwarten verurteilt? Für Ihre Mühe danke ich Ihnen. Mit freundlichen Grüssen Pietro

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag Pietro,
Die von Ihnen geschilderte Situation kommt immer wieder vor. Das weitere Vorgehen hängt in der Regel von der Biologie des Tumors ab. Handelt es sich um ein gut differenziertes Karzinom ist keine Eile gegeben. Krebszellen werden als gut differenziert bezeichnet, wenn sie nicht stark von den normalen Zellen abweichen. Häufig wachsen früh erkannte, kleine, gut differenzierte Prostatakarzinome nur sehr langsam und führen nie zu einer spürbaren Erkrankung. In solchen Fällen kann der Urologe dem Patienten die Strategie des aktiven Überwachens („active surveillance“) vorschlagen. Dabei werden regelmässige Kontrollen (PSA, wiederholte Biopsien) durchgeführt. Das Vorgehen wird je nach den Befunden immer wieder neu evaluiert. Diese individualisierte Therapieempfehlung trägt dem Alter, der Komorbidität (allfälliger weiteren Erkrankungen des Betroffenen) und der Biologie des Tumors Rechnung.
Die „Active Surveillance“ Strategie kann verständlicherweise beim Patienten Ängste auslösen. Schränken diese Ängste seine Lebensqualität zu einem Grad ein, den er selber als unzumutbar einstuft, ist die Option der aktiven Überwachung gemeinsam mit dem Facharzt noch einmal zu überdenken und allenfalls eine Therapie in kurativer Absicht einzuleiten.

Im Moment ist das Problem, dass Sie gerade eine Prostata-OP hatten und somit in den nächsten Wochen ein grösserer Eingriff der Prostata gar nicht möglich ist, da es nach der transurethralen Resektion (TURP oder „kleine Prostataoperation“) zu entzündlichen Veränderungen um die Prostata herum kommt, die die Nervenschonung bei der Operation erschweren.

Sie haben die Möglichkeit, ein noch eingehenderes Gespräch über die Pro und Contras der einzelnen Vorgehensweisen mit Ihren zuständigen Urologen zu verlangen oder eine Zweitmeinung einzuholen.



Frage von Ernst:
Werde an Prostata bestrahlt. Kann ich trotzdem Velofahren? Da
ich Knie - und Gelenkschmerzen habe bin ich nicht mehr so gut
z'Fuss und mit dem Velo kann ich mich trotzdem ein bisschen
sportlich betätigen.

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag Ernst,
Unter der Voraussetzung, dass die Haut unversehrt ist, und dass Sie schmerzfrei sind, dürfen Sie nach Massgabe der Beschwerden Fahrrad fahren. Versuchen Sie nicht, während dieser Zeit eigene Rekorde zu brechen, und starten sie Ihre sportliche Aktivität gemässigt. Bei Beschwerden kann auch der Wechsel des Sattels helfen. In Fachgeschäften werden heutzutage spezielle Sattel angeboten.

Achten Sie darauf, dass Sie nicht allzu stark schwitzen, damit die Markierungen nicht verblassen.
Ausserdem soll vor Blutentnahmen zur PSA-Bestimmung auf Fahrradfahren verzichtet werden. Druck auf die Prostata kann den PSA-Wert erhöhen.



Frage von tanzania:
Sehr geehrter Herr Doktor,
Meine PSA-Werte haben sich wie folgt entwickelt:
Nach Bestrahlung (Ende Mai 2008) = 0,6
drei Mte später = 0,2
sechs Mte später = 0.1
1 Jahr später = 0,2
1 3/4 Jahr später (also Juni 2010) = 0.9
Meine Fragen: - ist dies ein erfreulicher Verlauf? - heisst dieser Anstieg auf 0.9 dass wieder Krebs wächst? - muss ich jetzt etwas unternehmen? Wenn ja, was? - was kann ich (auf der komplementären Schiene z.B.) tun (Ernährung, Misteltherapie usw.)? - was raten Sie mir sonst noch in meinem Fall? Vielen Dank Herr Doktor, dass Sie sich Zeit nehmen.
Herzliche Grüsse Andreas

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag Andreas,
Nach dem Verlauf des PSA Wertes zu urteilen, haben Sie sehr gut auf die Strahlenbehandlung angesprochen. Nun ist der Wert aber wieder am steigen und Ihre Beunruhigung ist verständlich. Tatsächlich lässt der erneute Anstieg des PSA ein erneutes Wachstum des Tumors nicht ausschliessen. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die Prostata noch da ist und das verbliebene Gewebe auch PSA produzieren kann. Bereits eine Entzündung im Bereich der Prostata kann einen PSA Anstieg zur Folge haben.

Anhand gewisser Tumorparameter wie des Gleason Scores, des initialen PSAs, der Zeitdauer bis zum PSA – Anstieg, der Verdopplungszeit des PSA nach der Strahlentherapie, sowie an eventuellen Symptomen, kann abgeschätzt werden, ob schon jetzt eine Therapie sinnvoll ist oder ob noch zugewartet werden kann. Auch die Wahl der Behandlung hängt zum Teil von diesen oben genannten Parametern ab. Eventuell sind noch bildgebende Untersuchungen nötig. Am besten, Sie besprechen sich mit Ihrem behandelnden Arzt. Es ist durchaus möglich, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Behandlung notwendig ist.

Mit gemässigter sportlicher Aktivität und einer gesunden ausgewogenen Ernährung können Sie Ihre Gesundheit stärken. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass vor allem Kohlarten, gekochte Tomaten, Granatäpfel und Aprikosen den Verlauf von Prostatakrebs möglicherweise positiv beeinflussen können.

Die Misteltherapie ist eine zusätzliche komplementärmedizinische Behandlungsmethode.
Sie wird vor allem innerhalb der anthroposophisch orientierten Medizin eingesetzt und gilt immer noch als eine Methode mit unbewiesener Wirksamkeit. In Studien konnte bis jetzt keine direkte Wirkung auf das Tumorwachstum gezeigt werden. Sie deuten jedoch darauf hin, dass z.B. während einer Chemotherapie die Lebensqualität durch die Misteltherapie verbessert werden konnte.

Selbst etwas zu unternehmen, sich aktiv am Krebsgeschehen zu beteiligen, hilft vielen Patienten, besser mit der Krankheit klar zu kommen. Die Möglichkeiten, mit Komplementärmedizin das Wohlbefinden zu steigern, sind vielfältig und so verschieden wie die Patienten selber. Eine Empfehlung kann ich Ihnen nicht abgeben. Wichtig ist, dass Sie mit Ihrem behandelnden Arzt über die gewählte Methode sprechen und ihn darüber informieren, welche Methode Sie anwenden. So können Interaktionen mit der Behandlung sowie Nebenwirkungen richtig eingeschätzt werden.



Frage von Gerda:
Grüezi Herr Thalmann,
mein Mann ist 73 und hat vor einem Monat die Diagnose Prostatakrebs bekommen. Operieren kann man leider nicht, nur bestrahlen, was er jetzt macht. Freunde aus Deutschland haben uns die Methode von Prof. Leibowitz empfohlen. Sein Urologe meinte jedoch, diese Methode sei experimentell, mein Mann solle die Finger davon lassen. Was halten Sie davon? Vielen Dank für Ihre Antwort.

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag Gerda,
Die Dreifach-Hormontherapie nach Leibowitz gilt in der Schweiz tatsächlich nicht als Standardtherapie beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom.

Der amerikanische Urologe Leibowitz propagiert eine Hormontherapie des Prostatakarzinoms mit einer Kombination aus einem LHRH-Analogon (z. B. Zoladex®), einem Antiandrogen (z. B. Casodex®) und einem 5 Alpha-Reduktase-Hemmer (z. B. Proscar®). Leibowitz behauptet, dass es bei den von ihm nach diesem Schema behandelten Patienten noch nie zu einem Rückfall gekommen sei. Die Wirksamkeit seines Therapieansatzes ist allerdings wissenschaftlich nicht belegt.

Der Einsatz von LHRH-Analoga und Antiandrogenen in der Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms ist Therapiestandard. In der Regel wird das Antiandrogen bis zum Einsatz des LHRH-Analoges eingesetzt und nachher abgesetzt.
Nicht üblich ist dagegen die zusätzliche Gabe von einem 5-alpha-Reduktase-Hemmer. Proscar® ist in der Schweiz und in Deutschland lediglich für die Behandlung der gutartigen Prostatavergrösserung zugelassen.

Die 5 Alpha-Reduktase ist ein körpereigenes Enzym, das einen Teil des Testosterons in das wirksamere Dihydrotestosteron umwandelt. Mit der zusätzlichen Gabe eines Alpha-Reduktase-Hemmers verspricht Leibowitz eine komplette Testosteronblockade und damit eine erhöhte Wirksamkeit. Die komplette Testosteronblockade hat aber in mehreren klinischen Studien kein besseres Überleben gezeigt. Zusätzlich ist mit mehr Nebenwirkungen zu rechnen.


Frage von Joannes:
Ich musste im Jahre 2007 meine Prostata entfernen lassen (PSA-Wert damals 41). Operation mit Bauchschnitt ist optimal verlaufen. Nach zwei Jahren stieg der PSA-Wert wiederum an. Der Arzt vermutete eine Metastase und verschrieb mir CASODEX 50 mg. Sofort fiel der PSA-Wert von 0.7 auf 0.4 zurück. Ich bekam heftige Nebenwirkungen: Brustschmerzen und heftige Schmerzen in der Lebergegend seitlich unter den Rippen. Gezwungenermassen musste ich das Medikament absetzen. Was meinen Sie zu meinem Problem? Wie kann ich die Metastasebildung bremsen? Gibt es andere Medikamente? Gibt es alternative Möglichkeiten? Mit besten Grüssen Joannes

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag Joannes
Nach der Prostataoperation im Jahre 2007 steigt bei Ihnen der PSA-Wert langsam an. Sie haben das Casodex schlecht vertragen – die beschriebenen Nebenwirkungen sind bekannt. Sie haben richtigerweise das Casodex abgesetzt. Sie erkundigen sich nun nach Alternativen zu Casodex. In dieser Situation scheint mir der nächste Schritt eine Abklärung mittels Computertomographie und Skelettszintigraphie angezeigt. Ebenfalls sollte eine digitorektale Untersuchung erfolgen zum Ausschluss eines erneuten Wachstums von Tumor in der Prostataloge. Sollte sich in der Prostataloge ein sogenanntes Rezidiv finden, so könnte die Radiotherapie für Sie eine Option darstellen. Eine Hormontherapie einzuleiten scheint mir etwas verfrüht und ich würde sie einerseits von den Befunden der Computertomographie und der Skelettszintigraphie, andererseits von der Kinetik des PSA abhängig machen. Welche Therapie in Ihrem Fall medizinisch am sinnvollsten ist, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten, kann jedoch am besten der behandelnde Urologe beurteilen. Ich kann Sie nur dazu ermutigen, das Gespräch mit ihm zu suchen.



Frage von mst:
Im Dezember 2009 wurde mir infolge Krebses die Prostata entfernt. Bei der Katheterentfernung wurde ich jedoch an der Harnröhre verletzt. Seither war ich deswegen wiederholt im Spital und die Verengung wurde aufgeschnitten. Trotzdem muss ich jetzt alle 4 Tage eine Selbstkatheterisierung vornehmen, damit die Harnröhre nicht vollständig verklebt. Muss ich nun damit leben? Auch mit der Kontinenz steht es nicht zum Besten. Kann dies auch mit der Harnröhrenstriktur zusammenhängen? Ich habe Horror vor einer weiteren Operation, da ich bisher schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Antwort von Prof. Thalmann:
Guten Tag mst,
Es ist bedauerlich, dass Sie Ihre letzten Spitalaufenthalte als Trauma erleben mussten.
In gewissen Fällen kann die periodische Selbstkatheterisierung langfristig eine Lösung sein. Es besteht jedoch ein gewisses Infektrisiko und die Selbstbehandlung kann schmerzhaft und unangenehm sein. Um beurteilen zu können, welche Therapie in Ihrem Fall medizinisch am sinnvollsten wäre, müsste Sie ein Urologe untersuchen können. Für diese Beurteilung wird er ein Spezialröntgen der Harnröhre und allenfalls eine Urethroskopie durchführen. Sie können sich für eine individualisierte Therapie-Empfehlung z. B. an eine Universitätsklinik in der Schweiz wenden.

Die Harninkontinenz ist eine bekannte Konsequenz der radikalen Prostataentfernung. Vermutlich hängen Ihre Inkontinenzprobleme hauptsächlich mit der Prostataentfernung zusammen. Die Kombination mit einer Harnröhrenverengung verhindert aber möglicherweise die vollständige Blasenentleerung, was die ganze Situation noch komplexer, und den Harnverlust noch schlechter kontrollierbar macht.

Die Behandlung der Inkontinenz richtet sich nach der Art, der Ursache und des Schweregrades derselben. Gezielte Körperübungen (Kegel-Übungen/Beckenbodentraining) zur Stärkung der Schliessmuskulatur können manchmal hilfreich sein. Sprechen Sie Ihren Urologen darauf an. Vielleicht verschreibt er Ihnen Physiotherapiesitzungen zur Erlernung der korrekten Ausführung dieser Übungen.
Bei gewissen Formen der Inkontinenz kann auch medikamentös behandelt werden, so bei der Dranginkontinenz.
Bei schwerer Inkontinenz nach radikaler Prostatektomie kann ein künstlicher Schliessmuskel implantiert werden. Sie können Sich an grösseren Kliniken hierfür beraten lassen.

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