2014 - Männliche Sexualität bei Krebs


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2014 - Männliche Sexualität bei Krebs

Beitragvon admin » Mi 27 Aug 2014 16:06

Herr Prof. Dr. George Thalmann, Direktor und Chefarzt der Klinik und Poliklinik für Urologie des Inselspitals in Bern, beantwortete Ihre Fragen:


Diese Antworten sind eine allgemeine Stellungnahme. Sie können nicht die persönliche Beratung durch eine qualifizierte medizinische Fachperson ersetzen. Soweit in einem Beitrag bestimmte Ärzte, Ärztinnen, Behandlungseinrichtungen oder Produkte genannt werden, dient dies nicht der Werbung oder stellt eine Empfehlung dar, sondern ist lediglich als Hinweis auf weitere Informationsquellen zu verstehen.

Einige Fragen und Antworten wurden in eine andere Landessprache übersetzt. Sollten Fragen oder Unklarheiten auftreten, wenden Sie sich bitte an die Fachberaterinnen vom Krebstelefon. Kostenlose Telefonnummer 0800 11 88 11 oder per E-Mail an helpline@krebsliga.ch



Frage von kellmar:
Ich bin selbst betroffen, da ich Blasenkrebs habe, nach meiner Operation im Jahr 2010 war ich psychisch ziemlich am ende. Hinzu kamen die körperlichen Beschwerden. Es gab und gibt keine Anlaufstelle um mit einer Erektilen Disfunktion umzugehen, es werden immer nur Medikamente (Viagra) oder Spritzen in den Schwellkörper besprochen. Viagra nützte nichts und Spritzen mochte ich nicht wegen der Nebenwirkungen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar das jeder im Umgang mit Sexualität sagt es gibt auch andere Formen für Zweisamkeit und Partnerschaftliche Nähe. Warum werden die Alternativen Penisprotesen nicht von der Krankenkasse übernommen? Werden nur Sichtbare Entstellungen wie z.B bei Brustkrebs die Wiederherstellung bezahlt. Sexualtherapeuten gibt es sehr wenige bis gar keine die von der Krankenkasse übernommen werden und auch verstehen um was es geht. Ich hatte zumindest bis heute keinen gefunden.

Antwort von Prof. Thalmann
Guten Tag kellmar
Die erektile Dysfunktion kann durch eine Schädigung der Blutversorgung und/oder der Nervenbahnen bei Eingriffen im kleinen Becken beim Mann verursacht werden. Sie ist eine Störung, die bei Operationen zur Behandlung von Blasen- und Prostatakrebs leider gehäuft auftritt.

Zur Behandlung der erektilen Dysfunktion gibt es, wie Sie erwähnen, mehrere Möglichkeiten, die je nach individueller Situation und Präferenz eingesetzt werden können. Medikamente oral eingenommen wie Viagra® oder auch andere Präparate (Cialis®, Levitra®) werden in der Regel als erste Therapiemöglichkeit eingesetzt. Des Weiteren kann lokal die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) angewendet werden. Eine andere Möglichkeit besteht im Einführen eines stäbchenförmigen Applikators in die Harnröhre. Der freigesetzte Wirkstoff führt dann ähnlich wie bei der SKAT-Anwendung zu einer Erektion, wobei Patienten über ein unangenehmes Brennen in der Harnröhre berichtet haben.
Daneben bieten sich auch mechanische Hilfsmittel wie die Vakuumpumpe an. Wie Sie erwähnt haben, gibt es noch die Möglichkeit der Penisprothese. Das chirurgische Implantieren von Schwellkörperprothesen sollte erst bei Versagen aller bis anhin erwähnten Möglichkeiten eingesetzt werden, da es doch einen invasiven Eingriff mit entsprechenden Risiken darstellt. Die Schwellkörperimplantation mit Pumpsystem ist bis zum heutigen Zeitpunkt keine Pflichtleistung der Krankenkassen im Gegensatz zu Hodenprothesen. Diese werden von den Krankenkassen übernommen. Insofern besteht die Ungleichstellung zwischen Mann und Frau nicht ganz.
Ich empfehle Ihnen, Ihre individuelle Situation mit Ihrem behandelnden Urologen nochmals zu diskutieren um gemeinsam eine für Sie akzeptierbare Behandlungsmöglichkeit zu finden.

Störungen des sexuellen Erlebens bedeuten oft eine erhebliche Einbusse an Lebensqualität und können die Partnerbeziehung belasten. Eine Beratung bei einem Therapeuten oder einer Therapeutin kann hilfreich sein. Es ist in der Tat so, dass das Angebot in Sexualtherapie in der Schweiz nicht weitreichend ausgebaut ist. Unter diesem
Link finden Sie Adressen von speziell ausgebildeten Sexualtherapeuten und –innen. Die meisten von ihnen haben ein Arztdiplom und sind berechtigt über die Krankenkassen abzurechnen.


Frage von Marlies:
Der Freund meiner Tochter hat soeben die Diagnose Hodenkrebs erhalten. Ich weiss, dass sich meine Tochter später einmal Kinder wünscht. Wird dies nach einer Hodenkrebserkrankung noch möglich sein? Wie soll ich mich verhalten? Ich mag den Freund sehr, habe aber Angst, dass sich der Kinderwunsch meiner Tochter nie erfüllen wird, wenn sie bei dem Mann bleibt. Soll ich meiner Tochter raten, sich von ihrem Freund zu trennen und darf ich mich überhaupt einmischen? Um Ihren Rat bin ich sehr dankbar.

Antwort von Prof. Thalmann
Guten Tag Marlies
Hodenkrebs ist eine Erkrankung, die heute in den meisten Fällen sehr gut behandelt werden kann und heilbar ist. Die erste Behandlungsmassnahme in praktisch allen Fällen ist die operative Entfernung des befallenen Hodens. Je nach Stadium der Erkrankung folgt dann eine Chemo- oder Strahlentherapie.

Die Zeugungsfähigkeit bleibt nach der Entfernung des erkrankten Hoden in der Regel bestehen, da der verbleibende Hoden die Hormon- und Spermienproduktion übernimmt. Es kann aber Monate bis Jahre dauern, bis sich die Spermienproduktion abhängig von der Therapie wieder erholt. Deshalb wird Männern geraten, Spermien vor der Behandlung konservieren zu lassen. Spermien können über Jahre eingefroren gelagert werden. Dieser Vorgang nennt sich Kryokonservierung. Der behandelnde Arzt wird den Freund Ihrer Tochter über die Möglichkeit informieren können. Der Kinderwunsch Ihrer Tochter sollte sich also zu einem späteren Zeitpunkt erfüllen lassen.



Frage von M & T:
Meine Frau und ich wünschen und beide ein zweites Kind. Vor kurzem wurde bei mir Hodenkrebs entdeckt und mit Chemotherapie begonnen. Meine Frau und ich stellen uns viele Fragen: Wir lange sollen wir mit der Zeugung warten um trotz Chemo sicher zu sein, dass unser Kind gesund zur Welt kommt? Danke für die Antwort.

Antwort von Prof. Thalmann
Guten Tag M&T
Durch eine Hodenkrebserkrankung ist bei Ihnen eine Behandlung mit Chemotherapie notwendig geworden. Eine Chemotherapie wirkt systemisch auf alle sich schnell teilenden Zellen und führt dadurch nicht nur zur Schädigung der Krebszellen, sondern auch zur Schädigung gesunder, sich schnell teilender Zellen wie etwa der Spermien beim Mann. Es ist möglich, dass schon bei tumorbefallenem Hoden die Spermienproduktion eingeschränkt ist. Eine Spermienuntersuchung (Spermiogramm) kann Aufschluss über die Spermienqualität geben und bei guter Qualität kann eine Kryokonservierung (Einfrieren der Spermien) durchgeführt werden.

Nach Therapieende erholt sich die Spermienproduktion meistens wieder. Das kann allerdings einige Monate oder sogar Jahre dauern. Abhängig ist dies auch von der Art des verwendeten Zytostatikums oder der Medikamentenkombination und der Dosis. Eine Schädigung durch die Chemotherapie wirkt sich meist auf die Form oder die Beweglichkeit der Samenzellen aus. Spermien brauchen etwa 3 Monate zur Reifung. Nach dieser Zeit sind alle während einer schädigenden Therapie entstandenen Spermien abgestorben und nur noch solche vorhanden, die später gebildet wurden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, mindestens innerhalb der ersten 3 Monate nach Behandlungsende eine geeignete Verhütungsmethode anzuwenden. Nach dieser Zeitspanne kann eine Spermienuntersuchung (Spermiogramm) Aufschluss über den Anteil gesunder und beweglicher Spermien geben.

Falls in Ihrem Therapieschema das Medikament Bleomycin® eingesetzt wird, ist durch die erbgutschädigende Wirkung des Wirkstoffes eine sichere Verhütung während der Therapie und bis zu 6 Monate nach Behandlungsende nötig.



Frage von Peer:
Ich hab im Internet gelesen, dass man nach einer Prostataentfernung regelmässig eine Erektion herbei- führen soll, weil es sonst mit der Zeit gar nicht mehr möglich wäre. Stimmt das? Und wie oft ist regelmässig?

Antwort von Prof. Thalmann
Guten Tag Peer
Nach einer Prostataentfernung kann die Fähigkeit, eine Erektion zu erreichen, vorübergehend eingeschränkt sein oder auch verloren gehen. Ursachen können geschädigte oder durchtrennte Nerven oder Blutgefässe sein. Auch Krankheiten wie z. B. Diabetes, Bluthochdruck, übermässiger Alkoholkonsum oder bestimmte Medikamente gegen Depressionen können ebenfalls mögliche Ursachen für eine verminderte Erektionsfähigkeit sein oder diese noch verstärken.

Für die Erektion ist der Schwellkörper im Penis zuständig. Der Penis wird in schlaffem Zustand weniger durchblutet, das Schwellkörpergewebe erhält weniger sauer- und nährstoffreiches Blut. Wird über einen längeren Zeitraum keine Erektion mehr erreicht, findet ein Um- oder Abbau des Gewebes statt, der Schwellkörper verkümmert und kann nicht mehr aktiviert werden. Um die Funktion des Schwellkörpers zu erhalten, ist es wichtig, dass in regelmässigen Abständen eine Erektion herbeigeführt werden kann. Nach einer Prostataoperation können verschiedene Hilfsmittel oder Medikamente vorübergehend dazu beitragen, diese Funktion zu erhalten oder zu stimulieren. Hier wird den Patienten z.B. Viagra 50mg jeden 2. Abend zur Stimulation verordnet. Allerdings gibt es keine klaren Richtlinien, wie oft eine Erektion herbeigeführt werden soll. Sobald nach der Operation auch vermehrt Spontanerektionen auftreten dienen diese Medikamente zur Unterstützung.

Sprechen Sie mit Ihrem Urologen, wenn Sie unter Erektionsschwierigkeiten leiden und nehmen Sie keine potenzsteigernden Medikamente ohne ärztliche Verordnung ein.



Weitere Fragen und Antworten werden in Kürze hier aufgeschaltet.

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