2012 - Angehörige


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2012 - Angehörige

Beitragvon admin » Mi 17 Okt 2012 16:51

Frau Dr. Judith Alder, leitende Psychologin an der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel und Privatdozentin an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel, beantwortete Ihre Fragen:

Diese Antworten sind eine allgemeine Stellungnahme. Sie können nicht die persönliche Beratung durch eine qualifizierte medizinische Fachperson ersetzen. Soweit in einem Beitrag bestimmte Ärzte, Ärztinnen, Behandlungseinrichtungen oder Produkte genannt werden, dient dies nicht der Werbung oder stellt eine Empfehlung dar, sondern ist lediglich als Hinweis auf weitere Informationsquellen zu verstehen.

Einige Fragen und Antworten wurden in eine andere Landessprache übersetzt. Sollten Fragen oder Unklarheiten auftreten, wenden Sie sich bitte an die Fachberaterinnen vom Krebstelefon. Kostenlose Telefonnummer 0800 11 88 11 oder per E-Mail an helpline@krebsliga.ch



Frage von Soukue:
Mein Partner hat Lungenkrebs mit Ablegern. wir hatten bereits vor der Erkrankung Schwierigkeiten in der Beziehung und wollten uns trennen. Zurzeit sind wir wieder zusammen, weil ich ihn in dieser Zeit nicht alleine lassen wollte. nun frage ich mich immer wieder, wie viel Rücksicht muss man auf einen Krebskranken Menschen nehmen? Und wie lange? So wie sich unser Zusammenleben im Moment gestaltet, verändert sich nichts zu früher und ich sehe keine Hoffnung.

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Soukue,
Trotz vorgesehener Trennung haben Sie sich entschieden, Ihrem krebskranken Partner zur Seite zu stehen und ihn in seinem Krankheitsprozess zu begleiten. Das ist sehr rücksichtsvoll und zeugt von liebevoller Sorge. Gleichzeitig merken Sie, dass auch oder vielleicht gerade in der Situation der Krankheit die vorbestehenden Schwierigkeiten weiterhin da sind. Das ist nicht selten so, denn die Erkrankung stellt eine weitere belastung für eine Beziehung dar, die das Zusammenleben zusätzlich erschwert. Was Paare zusammen hält, ist in jede Partnerschaft etwas anders. Dennoch ist es meistens so, dass eine Beziehung nicht bestehen kann, wenn sie vor allem aus Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein, vielleicht auch ein bisschen auf Schuldgefühlen aufbaut. Das ist für beide Partner eine unbefriedigende Grundlage. Vielleicht gibt es andere Möglichkeiten, ihren Partner in seinem aktuellen Zustand zu unterstützen ohne die Beziehung weiterzuführen? Ist es möglich, dass Sie mit Ihrem Partner über diese Schwierigkeiten sprechen können? Wie reagiert er darauf? Vielleicht ist er mit seiner Krankheitssituation und mit sich selbst sehr beschäftigt, so dass er Ihren Konflikt nicht wahrnehmen kann und ihm die nötige Kraft, an der Beziehung zu arbeiten, fehlt. Möglicherweise müssen Sie zuerst für sich entscheiden, was Sie Ihrem Mann noch geben möchten und können, und wie lange noch.
Ein Gespräch mit einer Fachperson, zum Beispiel einer Psychoonkologin oder einem Paartherapeuten, würde Sie beide dabei sicher unterstützen. Adressen von Psychoonkologen kann Ihnen die Krebsliga in Ihrem Kanton vermitteln. Die Adressen finden Sie
hier.


Frage von Yanna:
Gueten Tag Frau Alder,
Ich bin 45 Jahre alt und mein Bruder ist 7 jahre älter. In den letzten Jahren hat unser Kontakt eher zugenommen: Wir treffen uns regelmässig mit unseren Familien und verbringen manchmal auch Ferien oder ein Wochenende zusammen. Bei meinem Bruder ist vor ein paar Moanten Krebs festgestellt worden. Was es so schwierig für mich macht, ist, dass er es nicht glauben will. er geht zum Arzt und in die Chemotherapie aber überall erzählt er, dass die Laborwerte nciht stimmen, das der Arzt nicht "drus chunnt" und dass es ein Fehler sei, das er noch Chemo habe. Ich habe mehrmals mit ihm ein Gespräch gesucht, auch gemeinsam mit seiner Frau, aber wir konnten die Situation nicht verändern. Haben Sie uns einen Rat? Sollen wir es gut sein lassen, solange er in die Therapie und zum Arzt geht?
Danke für Ihre Antwort,
Yanna


Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Yanna,
Sie stehen Ihrem Bruder sehr nahe. Um so quälender muss es für Sie sein, miterleben zu müssen, wie Ihr Bruder seine Krankheit verneint. Auch wenn er einen offenen Dialog vorläufig nicht zulässt, spürt er Ihre Anteilnahme bestimmt. Zudem sagen kleine Gesten oft mehr als viele Worte.

Das Verdrängen von schlimmen Tatsachen ist ein natürlicher Schutzmechanismus, der sich bei uns ganz von alleine einstellt, wenn wir die Grenzen unserer emotionalen Belastbarkeit erreicht haben. So dauert die Phase der Verneinung nicht bei allen Patienten gleich lange an. Ausserdem können sich Momente der Akzeptanz mit Momenten des Verdrängens abwechseln. Die Verneinung kann manchmal auch das Bedürfnis widerspiegeln, vor allem die Liebsten vor der schwierigen Wahrheit schützen zu wollen.

Weisen Sie Ihren Bruder behutsam auf die Möglichkeit hin, sich unverbindlich vom behandelnden Arzt an einen Psychoonkologen für ein Einzelgespräch verweisen zu lassen. Lehnt er das Angebot ab, verzweifeln Sie nicht. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Bruder wie jeder Patient über eigene Ressourcen verfügt, worauf er in Notsituationen zurückgreifen kann. Versuchen Sie, das Verhalten Ihres Bruders so zu akzeptieren, wie es ist. Jeder Betroffene findet einen eigenen Weg durch die Krankheit und manchmal sind es ganz andere Wege als diejenigen, die man selbst einschlagen würde. Dadurch werden Sie ihm entspannter begegnen können.

Selbstverständlich können Sie auch für sich selbst die Hilfe eines Psychoonkologen in Anspruch nehmen. Ausserdem könnte Ihnen der Austausch mit Angehörigen von Krebspatienten Mut geben. Ihre kantonale Krebsliga informiert Sie gerne über das regionale Angebot an Selbsthilfegruppen und weiteren Unterstützungsformen. Werfen Sie einen Blick auf das Dienstleistungsangebot Ihrer kantonalen Krebsliga und kontaktieren Sie
sie.


Frage von Shara:
Meine Mutter hatte vor ca 8 Jahren Brustkrebs. 1 Brust wurde entfernt. Nach Chemo galt sie als geheilt bis nach 5 Jahren Metastasen in den Knochen diagnostiziert wurden. Jetzt etliche Chemotherapien später kam es zum totalen Zusammenbruch. Schweren Lungenentzündung, 2 Wochen Spital und nun zur REHA erstmal für 2 Wochen. Was mich jedoch so irritiert ist, dass sie jetzt praktisch innert Wochen zum "Pflegefall" wurde. Sie ist bis vor der Lungenentzündung noch selber Auto gefahren, hat ihre Enkel liebevoll gehütet und hat ihren Haushalt so gut es ging alleine erledigt. Mittlerweile kann sie fast nicht mehr laufen, nicht mehr selber essen oder auf die Toilette gehen. Das alles schreibe ich noch ihrem sehr stark geschwächten Körper zu. Was aber ganz schlimm und für mich nicht nachvollziehbar ist, ist die geistige Verwirrtheit. Sie redet wirr, kann manchmal auf die einfachsten Fragen keine Antwort geben oder dämmert einfach vor sich hin. Wer kennt das? Wird das wieder? Vielen Dank!

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Shara,
Ihre Verzweiflung ist verständlich. Es ist unheimlich schmerzhaft, den gewohnten kommunikativen und emotionalen Zugang zur eigenen Mutter nicht mehr zu finden.

Verwirrtheitszustände können durch Nebenwirkungen von Medikamenten, asymptomatische Infekte (Harnwege), Dehydratation, Stoffwechsel- und Elektrolytstörungen sowie Hirnmetastasen oder zerebrovaskuläre Ereignisse verursacht sein. Fragen Sie den behandelnden Arzt, worauf der geistige Zerfall bei Ihrer Mutter zurückzuführen sein könnte und ob etwas dagegen unternommen werden kann.

Ich wünsche Ihnen viel Mut.



Frage von Evelyne:
Hallo,
vor knapp zwei Wochen hat mein Lebenspartner (47j.) die Verdachts-Diagnose Metastase in der linken Schulter, zufällig beim MRI entdeckt, bekommen. Darauf begann ein Spiesrutenlauf zuwischen verschiedensten Untersuchungen wie CT, Szintigraphie, Prostatabiobsie, div. Blutwertbestimmungen, eine Übernachtung auf einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung, diverse Gespräche mit unterschiedlich empathischen Ärzten für meinen Partner und mich. Seit Freitag steht nun fest, dass er an einem Prostatakarzinom mit vielen Metastasen (vermehrt an der Wirbelsäule) erkrankt ist. Seit gestern wurde mit der Schmerztherapie und einer Hormontherapie begonnen. Ich suche nun für ihn und für mich eine Selbsthilfegruppe.

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Evelyne,
Die Diagnose Krebs löst einen Schock aus und verändert das Leben der Betroffenen und ihrer Nächsten grundlegend und schlagartig. Der Austausch mit Personen, die diese Erfahrung gemacht haben und sich in einer ähnlichen Situation wie Sie befinden, wird Ihnen und Ihrem Partner Mut geben. Sie können sich an Ihre
regionale Krebsliga wenden. Gerne wird man Sie über die lokalen Unterstützungsmöglichkeiten wie Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige informieren. Ausserdem können Sie die Patientenorganisation Europa uomo Schweiz kontaktieren.


Frage von shamtaram:
Guten Tag,
Mein Freund leidet an einem Pankreaskarzinom mit Lebermetastasen. Nach sieben Chemotherapien hat sich der Tumor zurückgebildet, und die Metastasen sind im Scan nicht mehr sichtbar. Die Ärzte sagen, dass nicht operiert werden könne und die Erkrankung tödlich verlaufe. Ich möchte wissen, wie andere Menschen, die eine ähnliche Situation durchleben oder erlebt haben, dies empfinden usw.
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Danielle

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Danielle,
Eine Krebsdiagnose wirft alles über den Haufen: den Alltag und die Pläne der betroffenen Person, aber auch der Familie, von Angehörigen, Freunden und im Umfeld generell. Zu sehen, dass eine nahestehende Person schwer erkrankt ist, ist nicht einfach. Die Krankheit erinnert uns an die Endlichkeit des Lebens. In diesem neuen Rahmen den eigenen und/oder einen gemeinsamen Weg zu finden, ist für alle eine grosse Herausforderung.
Zum Glück hatte die Chemotherapie positive Auswirkungen auf den Tumor und die Metastasen. Aber all diese Erschütterungen, die Sie und Ihr Freund durchleben, hinterlassen auf allen Ebenen Spuren. Um zu erfahren, wie andere Personen mit diesen Phasen umgehen, um sich mit anderen auszutauschen und Halt und Unterstützung zu erhalten, empfehle ich Ihnen, im
Forum in der Rubrik «Bauchspeicheldrüsenkrebs» oder «Angehörige» eine Nachricht zu schreiben. Eine weitere Möglichkeit ist die Teilnahme an einer Diskussionsgruppe für Angehörige. Adressen erhalten Sie von Ihrer kantonalen Krebsliga .


Frage von Pitchoune1980:
Guten Tag,
Vor zwei Monaten habe ich erfahren, dass meine Mutter Brustkrebs hatte, und zwar ein invasiv duktales Karzinom mit zwei weiteren Knötchen. Diese Krebsform gilt als aggressiv, weil die Erkrankung von den Milchgängen ausgeht. Vor einem Monat wurde ihr eine Brust entfernt. Es waren keine Lymphknoten befallen, und im Körper wurden keine Metastasen festgestellt. Dennoch muss sie sich vier Zyklen einer recht intensiven Chemotherapie unterziehen, weil der Krebs aggressiv ist. Seither habe ich viel auf mich genommen, weil ich überaus an meiner Mutter hänge und weil ich glaube, dass sie Unterstützung braucht und nicht jemanden, der neben ihr jammert. Ich möchte Sie jedoch fragen, ob diese Krebsform gut behandelbar ist??! Die Ärzte sagen nicht viel… und sind immer sehr vage!
Vielen Dank.

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Pitchoune1980,
Die Prognose für eine Heilung oder Remission ist von mehreren Faktoren abhängig. So sind beispielsweise der Umstand, ob Metastasen vorliegen oder nicht, die Grösse und das Stadium des Tumors, das Alter bei der Diagnose, das Ansprechen auf die Chemotherapie usw. solche «prädiktiven» Faktoren. Weil aber jeder Mensch und jede Tumorerkrankung anders sind, ist es unmöglich – und kein Arzt würde das Risiko eingehen – eine zu hundert Prozent zuverlässige Prognose abzugeben.
Aus Ihrer Nachricht schliesse ich, dass Sie an den Besprechungen Ihrer Mutter mit der Ärzteschaft teilnehmen. Notieren Sie für das nächste Mal alle Ihre Fragen, und stellen Sie sie bei der Besprechung. Insistieren Sie, denn es ist die Pflicht des Arztes, Ihrer Mutter und Ihnen den aktuellen Stand und die vorgesehenen Schritte zu erläutern.
Die Begleitung und Unterstützung von erkrankten Angehörigen ist nicht einfach. Es ist normal, sich Sorgen zu machen und Fragen zu stellen. Damit Sie Ihre Mutter auch weiterhin unterstützen können, sollten Sie in diesen turbulenten Zeiten auch auf sich selber achten und sich nicht vergessen. Überlegen Sie, was Sie brauchen, um Ihre Batterien wieder aufzuladen, und setzen Sie dies in die Praxis um. Dabei sollen Sie kein schlechtes Gewissen haben, denn es ist unabdingbar, dass Sie sich auch um sich selbst kümmern. In der Broschüre
«Krebs trifft auch die Nächsten» finden Sie Informationen, die Ihnen bei Ihren Überlegungen und Schritten helfen können.


Frage von Delfin:
2003 bin ich an Brustkrebs erkrankt. Meine ganze rechte Brust wurde entfernt. Nach 5 Jahren war ich erst bereit für einen Aufbau (Implantat). Doch jetzt sieht es noch grausiger als vorher da ich zu wenig Haut hatte. Immer noch kann ich mich nicht damit abfinden mit meinem aussehen (nackend). Bin nach meiner Erkrankung sofort wieder ins Berufsleben zurück. Altersheim - FachBetreuung. Es hat mir sehr geholfen aber in meiner Seele fühle ich mich leer und ich lasse auch niemanden mit mir reden.
Ich kann das alles sehr gut verstecken und niemand merkt es. Doch in letzter Zeit bin ich sehr müde und habe weniger Kräfte wie früher. In meiner Freizeit würde ich am liebsten den ganzen Tag im Bett liegen. Wenn ich Schmerzen habe , rechte Schulter und Rücken gehe ich zu meinem Arzt um ein Medikament und Physio - Theraphie.
Was kann ich denn machen das dieses Leben mir noch Freude macht?

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Delfin,
Mit dem was Sie erleben, sind Sie nicht alleine: Eine intensive Phase der Behandlung und dann der Wunsch – nachdem soviel ins (weiter) Leben investiert wurde – möglichst bald und vollständig in den Alltag zurückzukehren. Die Verletzung an Körper und Seele bleibt damit für andere wenig sichtbar und das ist anfangs vielleicht gut und wichtig so.
Mittelfristig geht diese Strategie nun nicht mehr auf, der Kraftverschleiss, sich nach aussen anders zu geben, als dass es innen aussieht, ist auf der Dauer enorm und das scheinen Sie nun zu spüren. Häufig geht dabei auch der Sinn und die Würze im Leben verloren und das macht uns Menschen empfindlich für die Entwicklung von depressiven Verstimmungen und Lustlosigkeit.
Ich kann mir vorstellen, dass die sichtbaren Spuren des unbefriedigenden Wiederaufbaus zusätzlich immer wieder eine Wunde aufreissen, so dass es noch schwieriger ist, zur Ruhe zu kommen.
In diese belastende Situation haben Sie aus eigenem Antrieb bereits den ersten Schritt in die richtige Richtung gewagt, indem Sie Rat gesucht haben.
Ich empfehle Ihnen, sich durch Ihren Onkologen oder durch Ihre
regionale Krebsliga an eine Psychoonkologin verweisen zu lassen. Mit Ihrer Situation, in der Sie im Alltag nach Aussen gut funktionieren, selbst aber merken, dass Sie dem Leben eine andere Richtung geben möchten, sind Sie bei einer Psychoonkologin an der richtigen Stelle. In einem geschützten Rahmen wird sie Sie bei der Verarbeitung Ihrer Brustkrebserkrankung und deren Auswirkungen auf Ihre äussere Erscheinung unterstützen. Von Ihren persönlichen Ressourcen ausgehend, werden Sie in Begleitung dieser Fachperson Ihr Leben neu ausrichten lernen. Indem Sie dem, was Ihnen wertvoll und wichtig ist (bspw. Freizeitinteressen, Begabungen und heilsame Beziehungen) mehr Raum geben und gleichzeitig Wege finden, mit Unveränderbarem Frieden zu schliessen, wird automatisch wieder mehr Energie und Freude entstehen.
Alles Gute!



Frage von marianne41:
Meine Schwester *1941, leidet an Krebs im hoch fortgeschrittenen Stadium, ausgegangen vermutlich vom Lungenkrebs, jetzt aber Metastasen in allen Organen, Leber, Niere, Knochen. Sie ist seit gut 2 Wochen im Spital Münsterlingen TG. Man versucht es demnächst noch mit Bestrahlung. Wir glauben (ihre Tochter und ich.), dass sie das nicht übersteht, wegen der Nebenwirkungen, und weil sie nur Haut und Knochen ist und auch nichts essen mag. Dem Ehemann und meiner Schwester hat man aber nicht alles so gesagt. ER weiss schon jetzt nicht mehr, wo ihm der Kopf steht, und ich glaube, auch er erträgt die Wahrheit kaum. Meine Frage dazu: Warum kann man die Krankheit nicht früher feststellen, mit dem Bluttest oder wie auch immer? Meine Schwester wurde 15 J. auf Depressionen behandelt, vor ein paar Wochen untersuchte man das Hirn, Diagnose Demenz. Alles ist nicht so. Es ist ein Krebs, den man erst vor 2 1/2 Wochen sah. Zu spät. Ich hoffe, Sie bringen mich etwas weiter zum verstehen.
Vielen Dank für Hilfe

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Liebe marianne41.
Aus Ihren Zeilen spüre ich viele Emotionen: Verzweiflung über die schwere Erkrankung Ihrer Schwester, Wut darüber, dass der Krebs erst so spät gefunden wurde, Hoffnungslosigkeit, Trauer und ein gewisse Resignation, dass es bereits zu spät sein könnte, Zweifel, ob die vorgeschlagene Bestrahlung noch helfen könnte, Sorge ob Ihre Lieben mit dieser schwierigen Situation umgehen können, Hilflosigkeit dem Ehemann und Ihrer Schwester gegenüber, aber auch Hoffnung, dass Sie das ganze Krankheitsgeschehen verstehen und dadurch besser akzeptieren können.

Ihre Frage, warum die Krankheit nicht schon viel früher festgestellt wurde, kann ich nicht beantworten, ich kann nur Vermutungen anstellen.
Anscheinend waren gewisse Symptome oder Krankheitszeichen bereits über längere Zeit vorhanden, denn es wurde erst gerade noch eine Demenz diagnostiziert. Die Symptome, die Ihre Schwester veranlassten, die Abklärung zu machen, schienen nicht nahezulegen, dass eine Krebserkrankung die Ursache dafür ist, aus diesem Grund wurde vielleicht keine Organabklärung durchgeführt?

Vielleicht gab es auch andere Krankheitszeichen, die Ihre Schwester nicht wahrhaben wollte oder konnte. Dafür könnte es verschiedene Gründe geben, häufig ist die Angst vor den Verlusten und den Konsequenzen im Vordergrund. Vielleicht wollte Ihre Schwester ihre Tochter und ihren Ehemann schützen, weil sie Angst hatte, dass die Wahrheit für beide unerträglich wäre. Vielleicht gibt es auch kulturelle Hintergründe, warum über die Krankheit nicht geredet wurde.

Sie schreiben, dass Ihre Schwester 15 Jahre lang wegen Depressionen in Behandlung war. Die spürbaren Symptomen von Krebserkrankungen können sich manchmal auch so zeigen, dass eine „psychosomatische“ Erklärung naheliegend ist: bspw. Atembeschwerden als Zeichen von Angst und körperlicher Erschöpfung. Damit ist es für Betroffene und manchmal auch Behandelnde nicht immer einfach, zwischen Reaktion auf eine Belastung und körperliche Krankheit zu unterscheiden.

Es muss für Sie sehr schwierig sein, die fortgeschrittene Erkrankung Ihrer Schwester zu verstehen und zu akzeptieren. Vielleicht ist es Ihnen möglich, das Geschehene nicht zu hinterfragen und die Situation so anzunehmen, wie sie momentan ist. Dies könnte Ihnen die Kraft geben, die Schwester und ihre Familie zu unterstützen und ihnen beizustehen.

Es ist zum Beispiel durchaus möglich, dass Ihre Schwester die Bestrahlung gut erträgt und ihr diese, zumindest vorübergehend, eine bessere Lebensqualität ermöglicht. Dann stellt sich für Sie und Ihre Schwester die Frage, was Ihnen für die verbleibende Lebenszeit wichtig und wertvoll ist und Wege zu finden, dass dies auch erlebt werden kann.

Falls die Situation für Sie unerträglich wird, suchen Sie sich Hilfe bei der
kantonalen Krebsliga Ihrer Region oder bei einer psychoonkologischen Fachperson. Die kantonale Krebsliga oder auch Ihr Hausarzt kann Ihnen Adressen vermitteln. Auch beim Krebstelefon hört man Ihnen gerne zu und die Mitarbeiterinnen können vielleicht einiges klarstellen oder erklären.


Frage von Thumbstein:
Sehr geehrte Frau Alder,
Meine Frau bekam diese Woche die Diagnose Darmkrebs mit Metastasen auf der Leber. Eine gute Bekannte von uns, die vor über 20 Jahren an Krebs erkrankte, machte eine Diät nach Dr. Vogel und bekam es in Griff. Könnten Sie meiner Frau helfen, indem Sie mir vielleicht mitteilen, wie diese Diät genau vonstatten geht. Bitte helfen Sie mir, ich möchte meine Frau, sie ist 58
Jahre alt, nicht verlieren. Oder haben Sie Vorschläge oder Adressen, wie ihr geholfen werden kann. Ich möchte sie nicht verlieren. Ich habe große Angst um meine Frau. Ich danke Ihnen im Voraus für ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Thumbstein,
Von einem Tag auf dem anderen sind Sie nun mit einer alarmierenden neuen Situation konfrontiert. Ich kann Ihre Sorgen und Ängste um ihre Frau gut verstehen; als Ehepartner ist es sehr belastend, die Person, die man am meisten liebt und mir de man so viel schon erlebt hat, krank zu wissen und leiden zu sehen. Gefühle wie Angst und Hilflosigkeit sind in dieser Situation verständlich.
Diese Gefühle machen auch aktiv: Sie beschreiben, wie Sie nach der bestmöglichen Therapie für Ihre Frau suchen – das ist sehr wichtig, denn die richtige Therapie kann auch bei Metastasen dazu führen, dass die Lebensqualität so lange als möglich erhalten bleibt. Doch was ist die bestmögliche Therapie? Nach heutigem Kenntnisstand lässt sich keine Krebserkrankung durch eine Diät oder durch Verzehr bestimmter Lebensmittel beeinflussen.
Diäten können zum Teil sogar gefährlich sein, weil sie zu einseitig sind und zu Mangelernährung führen können. Was zur Heilung bei Ihrer Bekannten geführt hatte, kann ich Ihnen nicht sagen. Grundsätzlich kann sich ein Krebspatient so ernähren wie ein gesunder Mensch auch. Manchmal kann eine Krebserkrankung jedoch zu veränderten Essgewohnheiten führen. In der Broschüre
„Ernährungsprobleme bei Krebs“ finden Sie und Ihre Frau hilfreiche Informationen.

Wichtig ist im Moment sicher, dass Sie und Ihre Frau sich medizinisch gut betreut und aufgehoben fühlen. Gleichzeitig stellen sich viele Betroffene die Frage, was sie tun können, um dem Körper jetzt eine zusätzliche Unterstützung zu geben und dies ist oft möglich. Sprechen Sie mit dem behandelnden Arzt, wenn Sie zusätzlich zur schulmedizinischen Therapie noch eine komplementäre/unterstützende Methode anwenden möchten. Möglicherweise verweist er Sie und Ihre Frau an die geeigneten Fachstellen. Sollte dies nicht der Fall sein, wenden Sie sich an das Krebstelefon der Krebsliga Schweiz unter der Gratisnummer 0800 11 88 11.

Dann sind aber auch die Gefühle von Sorgen und Angst, die Sie beide haben. Können Sie miteinander, mit der Familie und Freunden darüber reden und hilft das schon? Manchmal ist es hilfreich, sich auch Unterstützung bei einem Psychoonkologen zu holen, bspw. wenn die Angst Überhand gewinnt, wenn der Schlaf über längere Zeit gestört ist oder man merkt, dass die Hilfen, die man sonst hat, keine Ruhe bringen.
Das Behandlungsteam Ihrer Frau oder die
Kantonale Krebsliga in Ihrer Region kann Ihnen Adressen vermitteln.


Frage von Yasemine:
Nach der Pensieonierung sind meine Eltern nach Hause in die Türketi zurückgekehrt. Für meine Schwester und mich ist die Schweiz unsere Heimat und wie sind beide hier geblieben. Das die Familie plötzlich getrennt war ist uns allen schwer gefallen. Wir haben viel telefoniert und die Ferien zusammen verbracht. Seit 3 Woche wissen wir, dass mein Vater Prostatakrebs mit Metastaz in Knochen hat. Am Telefon weinen wir immer. Jeden Tag frage ich mich, was ich tun kann um meine Eltern zu unterstützen? Was kann ich für meinen Vater tun? Erzählen mir die Eltern alles? Meiner Schwester geht es änlich wie mir.

Antwort von Frau PD Dr. phil. Judith Alder:
Guten Tag Yasemine,
Sie machen sich grosse Sorgen um Ihren Vater. Dazu kommt die geographische Entfernung zwischen Ihnen und Ihren Eltern, die es Ihnen erschwert, die Situation zu überblicken.
Sie fragen sich, wie Sie Ihre Eltern unterstützen können.
Ihre regelmässigen, wöchentlichen Telefonate sind sicher sehr wertvoll für Ihre Eltern, denn so spüren sie Ihre Liebe und Fürsorge. Die Krebserkrankung können Sie Ihrem Vater nicht abnehmen und auch nicht die Last und die Angst vor dem was noch kommen könnte. Aber mit den regelmässigen Telefonaten helfen sie diese Last mittragen.
Manchmal möchten Eltern ihre Kinder, auch wenn Sie schon erwachsen sind, nicht belasten und halten darum Informationen zurück.
Wäre es für Sie oder Ihrer Schwester, der es ähnlich wie Ihnen ergeht, möglich für ein paar Tage in die Türkei zu reisen? So könnten Sie sich selber ein Bild der Situation machen und wenn nötig, vor Ort Hilfe und Unterstützung organisieren.

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