Juli: Ist meine Freundin radioaktiv?


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Juli: Ist meine Freundin radioaktiv?

Beitragvon admin » Di 30 Jun 2015 15:42

Frage des Monats:
„Ist meine Freundin radioaktiv?“, fragte uns eine Frau neulich am Krebstelefon. Sie ist mit ihrer Freundin für einen Spaziergang verabredet. Die Freundin leidet unter Schilddrüsenkrebs und unterzog sich kürzlich einer Radiojodtherapie. Die Behandlung erfolgte unter Quarantäne. Gestern wurde die Freundin aus dem Spital entlassen. Nun hat die Anruferin Angst, ihre Freundin zu treffen. Sie befürchte, dass diese noch radioaktiv ist. «Soll ich das Treffen absagen?», fragt sie die Beraterin des Krebstelefons.

Antwort von Cornelia Orelli; Fachberaterin Krebstelefon:
Ihre Befürchtung ist verständlich und Ihre Frage ist berechtigt. Therapiestationen in der Schweiz halten sich auch in Bezug auf die Entlassung der mit Radiojod behandelten Patientinnen und Patienten an die Bundesverordnung über den Umgang mit offenen radioaktiven Strahlenquellen. Diese sieht u. a. vor, dass Patientinnen und Patienten erst dann entlassen werden dürfen, wenn die gemessene Dosisleistung in einem Meter Abstand von ihrem Körper einen bestimmten festgelegten maximalen Wert in Mikrosievert pro Stunde nicht überschreitet.
Ausserdem schreibt die Verordnung vor, dass jede Patientin und jeder Patient bei der Entlassung mündlich und schriftlich über die notwendigen Verhaltensregeln orientiert werden soll, die während der Nachsorge zu beachten sind, damit Angehörige und Dritte nicht unnötig bestrahlt werden.

Verhaltensregeln beachten
Ist bei Ihnen eine Schwangerschaft ausgeschlossen, können Sie sich mit Ihrer Freundin treffen. Halten Sie jedoch zu Ihrem eigenen Schutz einen Abstand von mindestens einem Meter von ihr. Führen Sie Ihren Hund an der Leine, damit er Ihre Freundin bei der Begrüssung oder als Aufforderung zum Spielen nicht anspringt. Ein Spaziergang von weniger als zwei Stunden ist für Sie als erwachsene Person unbedenklich. Nehmen Sie für die Dauer von einer Woche keine Kinder unter zwölf Jahren mit, wenn Sie Ihre Freundin treffen.
Sollten Sie unterwegs einkehren oder Ihre Freundin zu einem Kaffee bei sich zu Hause einladen wollen, beachten Sie, dass radioaktives Jod auch mit dem Speichel und dem Schweiss aus dem Körper ausgeschieden wird. Benutzen Sie daher Besteck, Geschirr, Handtücher und dergleichen für die Dauer von einer Woche nicht gemeinsam mit Ihrer Freundin. Durch Spülen oder Waschen wird die Radioaktivität entfernt und Gegenstände können wieder von allen verwendet werden.
Sollte Ihre Freundin Ihre Toilette benützen, reicht es wenn Sie nachspülen und die Klobrille mit einem feuchten Tuch abreiben. Radioaktives Jod wird zum grössten Teil über den Harn ausgeschieden. Urinspuren müssen aus diesem Grund entfernt werden.

Beratung kann entlasten
Vielleicht ergibt sich im Gespräch mit Ihrer Freundin die Gelegenheit, sie über unseren Beratungsdienst zu informieren. Besonders nach Abschluss der Therapie fühlen sich manche Patientinnen und Patienten allein mit ihren Ängsten und Sorgen. Bei den Fachberaterinnen des Krebstelefons und im Gespräch mit den Beraterinnen einer kantonalen Krebsliga können sie frischen Mut schöpfen und offene Fragen klären.

Haben auch Sie Fragen:
www.krebsliga.ch/krebstelefon


Diese Antworten sind eine allgemeine Stellungnahme. Sie können nicht die persönliche Beratung durch eine qualifizierte medizinische Fachperson ersetzen. Soweit in einem Beitrag bestimmte Ärzte, Ärztinnen, Behandlungseinrichtungen oder Produkte genannt werden, dient dies nicht der Werbung oder stellt eine Empfehlung dar, sondern ist lediglich als Hinweis auf weitere Informationsquellen zu verstehen.
Zuletzt geändert von admin am Mi 29 Jul 2015 11:16, insgesamt 2-mal geändert.

Maria Andrea
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Interessant

Beitragvon Maria Andrea » Di 14 Jul 2015 12:06

Ich wusste nicht, dass man diese Vorsichtsmassnahmen treffen muss. Ich kenne zwar niemanden der an Schilddrüsenkrebs erkrankt ist, fand diese kleine Weiterbildung aber dennoch sehr interessant.

Hingegen habe ich mich schon gefragt ob ich kleine Kinder mit jemandem spielen oder in den Arm nehmen lassen soll, der eine normale wöchentliche Bestrahlung oder Chemotherapie hat. Mit dieser momentanen Julihitze und Schwitzerei, weiss ich nicht ob die Haut nicht auch Schadstoffe ausscheidet? Und kleine Kinder der Babys scheinen so viel empfindlich auf äussere Einflüsse zu sein als Erwachsene.
Gibt es dazu etwas?

Cornelia
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Radioaktivität und Chemotherapie-Rückstände

Beitragvon Cornelia » Mi 15 Jul 2015 15:10

Hallo MariaAndrea

Patienten, die sich einer Radiotherapie unterziehen, bei der die Strahlenquelle (Linearbeschleuniger) sich ausserhalb des Körpers befindet, sind nicht radioaktiv. Nur Patienten, die sich einer Brachytherapie unterziehen, bei der die Strahlenquelle in den Tumor oder in unmittelbarer Nähe des Tumors eingeführt wird (z. B. Gebärmutterhals, Speise- oder Luftröhre, Bronchien), geben radioaktive Strahlen ab. Verwandte und Freunde werden über die notwendigen Vorsichtsmassnahmen, die es einzuhalten gilt, instruiert. Nachdem die Strahlenquelle aus dem Körper entfernt wurde, verschwindet jegliche Spur von Radioaktivität. Nach der interstitiellen Brachytherapie, die in ausgewählten Fällen zur Behandlung von Prostatatumoren eingesetzt wird, verbleiben die radioaktiven Samen in der Drüse. Die Strahlendosis, welche ein Prostatakrebspatient nach einer interstitiellen Brachytherapie abgibt, stellt für seine Umgebung keine Gefahr dar. Solchen Patienten empfiehlt man aber vorsichtshalber, Kleinkinder und Säuglinge nicht lange auf dem Schoss zu halten.

Chemotherapeutika werden vor allem über die Nieren ausgeschieden. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich in sämtlichen Köperausscheidungen Medikamenten-Rückstände – auch wenn in deutlich geringerer Menge als im Urin – befinden.

Hochdosierte Chemotherapien werden stationär verabreicht. Die Ausscheidungen der damit behandelten Patienten werden gesondert entsorgt.

Man kann davon ausgehen, dass Patienten, die ambulant behandelt werden, Ihre Umgebung nicht gefährden. Hygienemassnahmen (z. B. Vermeidung von Körperkontakt bei starkem Schwitzen) insbesondere im Umgang mit Säuglingen und Kleinkindern helfen, ein allfälliges, minimes, wissenschaftlich nicht belegtes Gefährdungspotential zu eliminieren. Bei Unsicherheit besteht die Möglichkeit, den behandelnden Onkologen zu fragen, ob spezielle Vorsichtsmassnahmen zu treffen sind.

Cornelia
Moderatorin


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