August: Mit 80 Jahren noch eine Krebstherapie?


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August: Mit 80 Jahren noch eine Krebstherapie?

Beitragvon admin » Mi 29 Jul 2015 12:15

Bericht über ein Gespräch mit Cornelia Orelli, Fachberaterin Krebstelefon

Ausgangslage


Eine 80-jährige Frau tut sich schwer mit der Entscheidung, ob sie sich in ihrem Alter noch einer belastenden Therapie unterziehen soll – ohne Gewähr, damit ihr Leben zu verlängern.
Die Frau am anderen Ende des Telefons ist eine eigenständige, lebensfreudige 80-Jährige. Sie hat schöne Erinnerungen an ihre Ehe, hat ein enges und offenes Verhältnis zu ihrer Tochter, liebt ihre Enkelkinder aus tiefstem Herzen. Kürzlich hat sie noch eine Reise nach Italien unternommen, die sie ihre Krebserkrankung – ein Nierenzellkarzinom – vergessen liess.
Heute ruft die Frau das Krebstelefon an, nachdem der Onkologe ihr am Vortag das Ergebnis der letzten Nachkontrolle eröffnete: Der Krebs hat Metastasen in der Lunge gebildet.
Nun stellt sich die Frage: soll sie sich behandeln lassen oder nicht? Sie ist in einem grossen Dilemma und gleichzeitig entsetzt über ihre eigene «Unvernunft». Schliesslich habe sie sich immer gesagt: «Wenn es einmal so weit ist, dann mache ich keine Therapien mehr.» Das war die Theorie. Im realen Leben hat sie sich jetzt aber instinktiv dafür entschieden, die Metastasen, die ihr noch keine Beschwerden verursachen, umgehend behandeln zu lassen. Akzeptieren kann sie ihren eigenen Entscheid nicht. Sie hadert mit sich, findet das sehr unvernünftig und ist eigentlich der Meinung, dass man mit 80 Jahren im Stande sein sollte, die Endlichkeit des Lebens anzunehmen. Sie weiss, dass die zielgerichtete Therapie, die ihr vorgeschlagen wurde, starke Nebenwirkungen verursachen kann. Allein schon deshalb findet sie es «unerhört», dass sie sich dazu entschieden hat, ihre jetzige Lebensqualität aufzugeben ohne die Gewähr, durch die Therapie ihr Leben zu verlängern. Von der Fachberaterin will sie vor allem wissen, mit welchen Einschränkungen sie im Alltag durch die zu erwartenden Nebenwirkungen des Zytostatikums rechnen muss. Grund: Ihre Mobilität zu bewahren, selbstständig mit dem eigenen Auto zum Arzttermin fahren zu können, ohne jemanden um Hilfe bitten zu müssen, ist ihr äusserst wichtig.

Eine Grundlage zur Selbsterkenntnis legen

Im Gespräch gelingt es mir, die Orientierung suchende Anruferin auf dem Weg zur Selbsterkenntnis zu begleiten. Ich frage nach, wie sie bislang Probleme im Leben angegangen sei. «Mutig, entschlossen, unbeirrbar», lautet die Antwort der Frau, die ob dieser Erkenntnis ein wenig beruhigt wirkt. Sie signalisiert mir, dass es ihr wohl tut, eine Erklärung für die unerwartete eigene Reaktion zu erhalten. Ausserdem sei ihr nun klar, warum sie in einer lebensbedrohlichen Situation kaum anders hätte reagieren können, als sie es schon immer getan hat. Stets sei sie überzeugt davon gewesen: Probleme geht man so rasch als möglich an. Wenn man einmal eine Entscheidung getroffen hat, hält man daran fest und nimmt die Nachteile in Kauf. Wenn man etwas anfängt, zieht man es durch. Ich gebe der Frau noch einen Gedanken mit auf den Weg, welchen sie als «gute Hilfe» betrachtet: Sie wird die Gründe, die sie zu ihrer Entscheidung geführt haben, aufschreiben, damit sie daran Halt findet, sollte sie einmal in ein Motivationstief geraten.

Im gemeinsamen Gespräch konnten wir die Grundlage erarbeiten, die es der älteren Frau ermöglicht, sämtliche alternativen Verhaltensweisen in Erwägung zu ziehen. Die definitive Entscheidung für oder gegen eine Behandlung liegt selbstverständlich bei der Betroffenen selber.


Haben auch Sie Fragen: www.krebsliga.ch/krebstelefon


Diese Antworten sind eine allgemeine Stellungnahme. Sie können nicht die persönliche Beratung durch eine qualifizierte medizinische Fachperson ersetzen. Soweit in einem Beitrag bestimmte Ärzte, Ärztinnen, Behandlungseinrichtungen oder Produkte genannt werden, dient dies nicht der Werbung oder stellt eine Empfehlung dar, sondern ist lediglich als Hinweis auf weitere Informationsquellen zu verstehen.

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