Mann mit Krebs: Fruchtbarkeitserhaltende Massnahmen und Kinderwunsch


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Mann mit Krebs: Fruchtbarkeitserhaltende Massnahmen und Kinderwunsch

Beitragvon admin » Fr 8 Apr 2022 14:12

Frage an das Krebstelefon
Mein Name ist Tobias, ich bin 32 Jahre alt. Meine Partnerin und ich haben einen grossen Kinderwunsch. Mit 13 Jahren wurde bei mir Leukämie (ALL) diagnostiziert. Es blieb kaum Zeit, die Ärzte starteten nach einigen Tagen mit der Krebsbehandlung. Meine Eltern und ich wurden von den Onkologen zwar darauf hingewiesen, dass die Therapie meine Fruchtbarkeit beeinträchtigen könne. Zu diesem Zeitpunkt war ich mit der ganzen Situation überfordert und schämte mich, vor meinen Eltern über das Thema Sexualität zu sprechen. Heute bereue ich, dass ich mich damals nicht darauf eingelassen habe. Ich möchte, dass anderen krebsbetroffenen jungen Männern nicht dasselbe passiert wie mir, und bitte euch, die Möglichkeiten zum Erhalt der Fruchtbarkeit vor Therapiebeginn zu schildern. Auch stellt sich uns die Frage: Welche alternativen Optionen haben ich und meine Partnerin?

Antwort von Carla Stäubli, Fachberaterin Krebstelefon
Lieber Tobias, es tut mir leid zu lesen, dass bei dir die fertilitätserhaltenden Massnahmen vor Therapiebeginn nicht getroffen wurden aufgrund der damaligen Umstände. Sehr gut verständlich, dass andere Gedanken im Vordergrund standen als der Kinderwunsch. Auch ist es ganz normal, dass man im Alter von 13 Jahren nicht gerne mit den eigenen Eltern und dem Arzt über das Thema Sexualität spricht.

Es freut mich, dass du und deine Partnerin trotzdem einen Kinderwunsch habt und nach alternativen Möglichkeiten sucht. Auch schön finde ich, dass du andere junge Männer aufklären willst über Optionen zum Erhalt der Fruchtbarkeit, die vor Therapiebeginn offenstehen.

Möglichkeiten, die Männer ab abgeschlossener Pubertät vor Therapiebeginn haben, um trotzdem Kinder bekommen zu können: Entweder besteht die Option Samenzellen einzufrieren (Kryokonservierung) oder es wird Hodengewebe entnommen und eingefroren (testikuläre Spermienextraktion, TESE). Dieses Verfahren wird angewendet, wenn in der Samenflüssigkeit keine Spermien vorhanden sind. Später können die entnommenen und eingefrorenen Spermien zur künstlichen Befruchtung eingesetzt werden.

Bei aggressiven Krebsarten und fulminantem Krankheitsverlauf kann es sein, dass keine Zeit mehr für reproduktionsmedizinische Massnahmen bleibt. Wenn es die Krankheit zulässt und die Behandlung kurz aufgeschoben werden kann, ist eventuell eine Überweisung an ein reproduktionsmedizinisches Zentrum noch möglich.

Kosten:
Die obligatorische Grundversicherung bezahlt das Einfrieren für fünf Jahre. Das Einfrieren muss von einem Zentrum für Kryokonservierung übernommen werden, welches an einem Programm für Qualitätssicherung teilnimmt. Damit die Kosten gedeckt sind, muss der Spender unter 40 Jahre alt sein. Kosten für weitere Massnahmen, wie beispielsweise die künstliche Befruchtung, müssen selber getragen werden.

Das Wichtigste ist, dass sich die jungen Männer vom medizinischen Behandlungsteam beraten lassen, welche Möglichkeiten in der jeweiligen Situation bestehen. Das Gespräch mit den Ärzten kann bei vorhandenen Schamgefühlen in einem ersten Schritt auch ohne Anwesenheit der Eltern stattfinden. Allenfalls kann zusätzlich eine Überweisung an ein reproduktionsmedizinisches Zentrum vorgenommen werden.

- FERTIONCO kann beim Entscheid «Samenzellen einfrieren ja oder nein» helfen.
- FertiSave ist das Schweizer Netzwerk zur Qualitätssicherung von fruchtbarkeiterhaltenden Massnahmen für Menschen mit Krebs. Auf dieser Seite können Kinderwunschzentren gefunden werden.
- Fertiprotekt ist ein Verbund von spezialisierten Zentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

In eurer Situation besteht die Möglichkeit einer Samenspende oder einer Adoption. Allenfalls gibt es aber noch weitere Methoden. Wendet euch mit eurem Anliegen an ein Kinderwunschzentrum oder an ein reproduktionsmedizinisches Zentrum. Dort werden ihr zu den vorhandenen Optionen beraten.

Nähere Informationen zum Thema Fertilität und Kinderwunsch finden Sie unter:

Website Krebsliga Schweiz, Kinderwunsch trotz Krebs

Haben Sie noch mehr Fragen zum Thema Fertilität und Kinderwunsch nach Krebs? Vom 11. April bis am 22. Mai 2022 stehen Ihnen unsere Expert:innen gerne online zur Verfügung auf www.krebsforum.ch.

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