Ist Zucker bei Krebs schädlich?


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Ist Zucker bei Krebs schädlich?

Beitragvon admin » Di 10 Jan 2023 10:54

Ratsuchende Person: «Ich habe gehört, dass man durch Zuckerverzicht den Krebs aushungern kann. Stimmt das?»

Fachberaterin: «Was würde bei Ihnen ein klares Ja von meiner Seite auslösen?»

Ratsuchende Person: «Ich fühle mich mächtig und angriffslustig. Ich spüre eine Welle der Wut in mir aufkommen. Ich fühle mich meiner Krebserkrankung nicht mehr einfach ausgeliefert. Ich glaube wieder daran, dass ich etwas dagegen tun kann. Ich muss nur die nötige Selbstdisziplin aufbringen, konsequent auf Süsses zu verzichten. Ich stelle mir den Tumor als ein Raubtier in einem Zoogehege vor: Ich bin der Tierhalter und gebe diesem Raubtier einfach kein Futter mehr und schaue zu, wie es von Tag zu Tag schwächer wird und letztendlich verreckt.»

Fachberaterin: «Ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Kontrolle wurde durch den Krebs zertrampelt. Sie suchen einen Ausweg aus dieser Situation und wollen selbst das Heft in die Hand nehmen. Und was würde ein klares Nein auslösen bei Ihnen?»

Ratsuchende Person: «Ein Gefühl von Ohnmacht: Ich kann nichts an meiner Situation ändern. Gleichzeitig aber auch eine gewisse Erlösung: Ich kann mir ab und zu etwas Süsses erlauben. Ohne schlechtes Gewissen. Und der Gedanke taucht bei mir auf: Ich bin nicht an Krebs erkrankt, weil ich zu viel Süsses gegessen habe in meinem Leben. Ich brauche mir keine Selbstvorwürfe mehr zu machen.»

Viele Betroffene berichten uns, dass Ihnen die Krebsdiagnose den Boden unter den Füssen wegzog. Unter solch destabilisierenden Umständen können klare Speisevorschriften Halt bieten. Essen ist für viele eine Kompensation bei Stress. Eine Krebsdiagnose, die Krebsbehandlungen und die Nachsorgetermine versetzen die meisten Betroffenen in einen Dauerstress. Essen gibt vielen ein Gefühl von Geborgenheit. Krebs wird von den meisten Betroffenen als eine existentielle Bedrohung wahrgenommen. Umso stärker ist bei ihnen das Bedürfnis nach Schutz, Halt und Sicherheit. Bei manchen Betroffenen lässt sich dieses Bedürfnis an ihrer Suche nach einer Krebsdiät erkennen.

Aus meiner persönlichen Beratungserfahrung gehört die Suche nach einer wirksamen Krebsdiät zu den möglichen Bewältigungsstrategien, die Betroffene an den Tag legen. Jeder persönliche Lösungsversuch gilt es vorerst mal zu würdigen – unabhängig davon, ob seine Wirksamkeit in Bezug auf den Krankheitsverlauf durch ernährungswissenschaftliche Studien untermauert ist oder nicht. Voreilige berichtigende Aufklärungsversuche bleiben in der Regel erfolglos. Reine Informationsvermittlung prallt an Ratsuchenden meistens ab, erzeugt Widerstandsreaktionen, Skepsis und Frustration. Fühlt sich die ratsuchende Person mit ihrem tieferliegenden Anliegen angenommen, willkommen und verstanden, ist sie eher zugänglich für sachliche Informationsvermittlung.

Fachberaterin: «Übergewicht ist ein nachgewiesener Risikofaktor für manche Krebserkrankungen, weil es zu einer Überproduktion von Hormonen führt, entzündliche Prozesse begünstigt und häufig mit einem dauerhaft erhöhten Insulinspiegel einhergeht. Wer zu oft und zu viel Süssigkeiten und mit Zucker gesüsste Getränke zu sich nimmt, wird eher übergewichtig und erhöht dadurch sein Krebsrisiko. Das heisst aber noch nicht, dass Zucker an sich ein direkter Risikofaktor ist und Krebs verursacht. Allerdings weiss man heute, dass ein hoher Zuckerkonsum nicht als einzige Ursache für die Entstehung von Übergewicht anzusehen ist. Übergewicht entsteht, wenn dem Körper längerfristig mehr Energie (Kalorien) zugeführt wird, als dieser verbraucht. Ein hoher Zuckerkonsum kann ebenso dazu beitragen wie beispielsweise ein hoher Verzehr an fettreichen Speisen.

Eine Krebserkrankung kann durch Ernährung nicht geheilt werden. Für Krebspatient:innen gelten keine anderen Ernährungsempfehlungen als für Gesunde. Ausser sie leiden an den Auswirkungen des Tumors oder an Nebenwirkungen der Behandlung, wie Schleimhautentzündungen, Kau- und Schluckbeschwerden, Fatigue, Geruchs- und Geschmacksstörungen sowie Übelkeit. Solche Krankheitsfolgen können zu Appetitverlust und einer eingeschränkten Nahrungsaufnahme führen. Bei drohendem Gewichtsverlust und Muskelabbau sowie Ernährungsproblemen ist eine Diätanpassung unter fachlicher Anleitung sinnvoll.»

Das Angebot einer proaktiven Beratung könnte in der Abschlussphase von Beratungen zum Thema Krebs und Ernährung sinnvoll sein. Regelmässige Gespräche am Krebstelefon oder im Chat können Ratsuchenden, die sich schutzlos ausgeliefert fühlen, Halt und Sicherheit bieten.

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