Beitragvon admin » Mo 28 Feb 2022 14:54
Frage von B. F.
Sehr geehrter Dr. Notter
Bei meinem Vater (1963) wurde anfangs Februar 2022 ein Glioblastom im Sprachzentrum diagnostiziert.
Die OP hat er bereits hinter sich und es konnten dabei 95% des Tumors entfernt werden.
Nun steht bald die Chemo- und Strahlentherapie nach Stupp-Protokoll an.
Weshalb werden Glioblastome am Paul Scherrer Institut nicht mit Protonen (statt der Photonen-Bestrahlung) bestrahlt?
Dadurch kann die Strahlendosis, die auf das Tumorgewebe einwirkt, erhöht werden, während die Strahlenbelastung für das gesunde Gewebe sinkt.
Antwort von Dr. med. Markus Notter, Facharzt für Radio-Onkologie
Sehr geehrte/r B.F.,
Protonen sind positiv geladene Atomkernbestandteile, die in einem Ringbeschleuniger auf hohe Energien gebracht werden und in der Therapie seit mehr als 70 Jahren eingesetzt werden. Diese sogenannte Partikelbestrahlung hat den Vorteil, dass sie je nach ihrer Anfangsenergie im Körperinnern rel. schnell abgebremst wird und daher sehr umschrieben wirken kann. Für kleine, scharf begrenzte Prozesse wie z.B. bestimmte Augentumoren hat dies enorme Vorteile, sie können ohne Verlust des Auges zerstört werden. Trotz diesen seit langem bekannten Erfolgen hat sich die Protonentherapie nicht durchsetzen können, denn ihr Hauptnachteil ist die zu umschriebene Wirkung: entweder „null oder hundert“ wie einem Skalpell gleich. Bösartige Tumoren wie eben auch Glioblastome wachsen diffus in die Umgebung ein, sind deshalb nicht so genau umschrieben beschränkt, sonst könnte man sie auch besser radikal entfernen. Durch die Fraktionierung, das Aufteilen der notwendigen Gesamtdosis in viele kleine Portionen, gelingt es, die Gewebstoleranz nicht zu überschreiten, während Tumorzellen darauf empfindlicher reagieren. Trotzdem nützt das für die Protonentherapie wenig und die „klassische“ Photonentherapie kann wesentlich besser, günstiger und bewegungsabhängig geplant genau das gleiche erreichen. Die früher vorgenommen Versuche mit Partikelbestrahlungen bei Glioblastomen mit noch höheren Dosen mussten wegen schweren Nebenwirkungen ohne erkennbaren Vorteil abgebrochen werden. Darum bleibt die Protonentherapie auf sehr wenige Indikationen beschränkt. Diese Situationen werden europaweit dem PSI zugewiesen.