Wenn der Kopf plötzlich nicht mehr mitmacht....


Moderations-Bereich
rawside86
Beiträge: 2
Registriert: Di 14 Apr 2015 12:00
Wohnort: Dielsdorf

Wenn der Kopf plötzlich nicht mehr mitmacht....

Beitragvon rawside86 » Mi 15 Apr 2015 13:11

Hallo zusammen,

Ich bin neu hier, 28 Jahre alt und wohne im Kanton Zürich.

Im Januar dieses Jahres hat sich mein Leben schlagartig geändert. Ich stellte eine Verhärtung am rechten Hoden fest, ging am Donnerstag zum Hausarzt, am Montag darauf hatte ich schon den Termin beim Urologen und am Donnerstag in der gleichen Woche hatte ich schon die OP. Danach war ich zwei Wochen krankgeschrieben, hab dann 3 Tage 50% gearbeitet und dann 2 Wochen 100%, danach habe ich wie geplant eine 6-Wochen-Auszeit genommen.

In dieser Zeit habe ich die Krankheit mehr oder weniger verdrängt und ein normales Leben geführt. Am Ende meiner Auszeit hat sich ergeben, dass ich auf der Arbeit die Chance erhielt ein sehr grosses Projekt zu leiten. Ich fand dies sehr spannend und dachte auch, ich könnte es bewältigen. Doch seit dem letzen Wochenende (die letzten zwei Tage meiner Auszeit) spielte der Kopf nicht mehr mit. Aus diesem Grund habe ich das Projekt abgesagt, da ich mich zuerst um die "Altlasten" kümmer will und mein Kopf für eine so grosse Aufgabe nicht bereit ist.

Ich hatte ein Seminom im Anfangstadium, die Tumormarker im Blut waren unauffällig und auch das CT hat nichts auffälliges gezeigt. Aus diesem Grund haben wir uns für wait-and-see entschieden, da ich meinen Körper nicht unnötigerweise belasten möchte.

Der erste Kontrolltermin rückt nun immer nächer (13.05.2015) und die Verdrängungsphase ist vorbei und eine Verarbeitung wird nötig.

Die Verarbeitung ist für mich nicht ganz einfach, weshalb ich heute die Mitarbeiterberatungsstelle aufsuchte um ein erste Gespräch zu führen. Es war ein guter Anfang, aber es ist def. noch mehr nötig.

Darum meine Fragen:

Wie geht man / ihr mit der Unsicherheit / Angst um, wenn ein Kontrolltermin ansteht?

Wie gehe ich damit um, dass ich mein Leben nun nur noch im 3 Monatszyklus planen kann, weil bei jedem Untersuch etwas sein könnte?

Im Moment überlege ich auch ob eine Psychotherapie oder eine Selbsthilfegruppe eine Option wären, was mir die Dame von der Mitarbeiterberatungsstelle auch empfohlen hatte. Hat hier jemand Erfahrung damit?

Ich freue mich über Rückmeldungen und Tipps!

Beste Grüsse

rawside86

Röbi
Beiträge: 16
Registriert: Sa 7 Jul 2007 21:01
Wohnort: Burgdorf

Es ist wirklich plötzlich anders

Beitragvon Röbi » Do 16 Apr 2015 21:28

Lieber rawside86

Es ist 11 Jahre her, dass ich als 39-jähriger mit der gleichen Geschichte zum Arzt ging und es plötzlich schnell ablief:
Seminom im Stadium 2, also noch ohne Ableger, Operation, dann Nachbestrahlung, weil eine Streuung von Zellen in die Lymphknoten nicht ganz auszuschliessen war.

Wie unterschiedlich wir als Betroffene das wahrnehmen, habe ich später nach einem 2. Tumor (wieder Seminom im Frühstadium) mit Kollegen in der Selbsthilfegruppe ausgetauscht. Es nimmt nicht jeden gleich mit, aber es ist keinesfalls falsch, Leute zu suchen, mit denen du deine Situation besprechen kannst.

Du hast nicht näher beschrieben, wieviel dir dein Arzt erklären konnte.
Jedenfalls haben wir mit Seminomen eine der am wenigsten üblen Tumoren zu Gast gehabt, die sich gut behandeln lassen, sollte doch noch etwas übrig geblieben sein.

Es ist jedesmal eine Spannung da, wenn man wieder in die Röhre und zum Ultraschall muss, sicher. Es ist aber auch befreiend, dann zu hören, dass nichts sichtbar ist.
Ich mache dir deshalb gerne Mut, dieser ersten Kontrolle gelassen entgegenzublicken!

Die Nachkontrolle ist nicht gerade bloss ein Coiffeurtermin, aber Du brauchst dein Leben deswegen überhaupt nicht nur danach zu planen. Sie macht dir als Betroffenem bewusst, wie zerbrechlich wir alle im Grunde genommen sind, nur können und wollen wir das im normalen Alltag nicht wahrnehmen. Ich wünsche dir, dass dich diese Erfahrung im 3-Monats-Rhythmus ermutigt.

Zu Beginn geht das schlecht, und da finde ich, ist es absolut ok, Freunde damit zu belästigen, wenn's dir schlecht geht, dem Doktor die Birne zu füllen und nachzufragen, wer dich unterstützen kann. Ich denke, dass dir die Krebsliga auch Kontakt zu einem Psychoonkologen vermittelt, wenn dein Hausarzt niemanden kennt.

Ich hatte das Glück, in einem Umfeld zu sein (Familie, Freunde, Arbeitsstelle), wo Information und Austausch über die Krankheit möglich war und ich nirgends die Krebserkrankung geheimhalten musste. Das hat mich enorm entlastet, denke ich.

Unsere Selbsthilfegruppe trifft sich aktuell nur 1-2 mal pro Jahr im gemütlichen Rahmen. Wir sind schon etliche Jahre in Kontakt, du findest uns im Forum und darfst gerne auch per PN Kontakt aufnehmen.

Liebe Grüsse
Röbi

rawside86
Beiträge: 2
Registriert: Di 14 Apr 2015 12:00
Wohnort: Dielsdorf

Danke :)

Beitragvon rawside86 » Fr 17 Apr 2015 9:46

Lieber Röbi

Vielen Dank für Dein rasches und ausführliches Feedback.

Ich hoffe bei Dir ist mittlerweile alles im grünen Bereich!?

Dass bei mir auch ein Austausch nötig ist, habe ich nun gemerkt. Ich habe mich kurz nach der Operation natürlich mit vielen Leuten darüber unterhalten (Freunde, Familie, Verlobte, Arbeitskollegen), da ich wohl noch in der Verdrängungsphase war, habe ich alles eher heruntergespielt.

Mein Arzt hat mich sehr gut beraten und es ist mir auch bewusst, dass ein Seminom noch als "Glück im Unglück" gesehen werden sollte, da die Aussichten sehr gut sind. V.a. wenn man es, wie ich, sehr früh bemerkt. Aus diesem Grund habe ich auch lange überlegt, ob ich hier überhaupt schreiben soll, da es für mich nicht wirklich nachvollziehbar ist, weshalb ich solche Mühe habe, damit umzugehen.

Wenn der erste Bericht, wie ich es hoffe, positiv sein wird, dürfte es mir vermutlich auch wieder besser gelingen. Da eine Grippe bisher das "schlimmste" war, was ich je hatte, ist die Unsicherheit vor dem ersten Untersuch halt trotzdem gross und es sind gewisse Ängste vorhanden. Aber ich sollte mir wohl öfters vor Augen führen, dass auch wenn einmal ein negativer Bescheid kommen sollte, die weitere Behandlung sehr erfolgsversprechend sein wird.

Vermutlich habe ich mich auch etwas zu einfach ausgedrückt. Natürlich richte ich mein Leben nicht nach den Kontrollterminen. Ich meinte eher teurere längerfristige Pläne wie z.B. Urlaub. Ich habe den ersten Kontrolltermin am 12.05.2015 und wollte eigentlich zwei Wochen darauf mit meiner Verlobten nach Amsterdam. Hier kommt aber der "Versicherungsheini" in mir durch (ich arbeite seit 12 Jahren in der Versicherungsbranche), der das Risiko nicht eingehen will, dass der Urlaub ins Wasser fällt, wenn eine Behandlung nach der Kontrolle nötig sein sollte. Sollte die erste Kontrolle positiv sein, werde ich versuchen, auch solche Pläne trotzdem umzusetzen.

Bei den Freunden und der Familie habe ich mich bisher zurückgehalten, weiss auch nicht warum. Ich denke immer, alle haben genug eigene Sorgen. Aber ich werde jetzt versuchen mich mehr zu öffnen, was mir bisher eher schwer fällt, da ich nicht gerne im Mittelpunkt bin. Kontaktadressen im Bereich Psychoonkologie habe ich bereits von unserer Mitarbeiterberatung erhalten und habe mich definitiv entschieden, diese zu kontaktieren und mich professionell unterstützen zu lassen.

Auf das Angebot der Selbsthilfegruppe komme ich gerne zurück und sende Dir eine PN.

Vielen Dank nochmals, Deine Rückmeldung hat mir sehr geholfen.

Beste Grüsse

Rawside86


Zurück zu „Hodenkrebs“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste