2020 - Sexualität und Krebs


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2020 - Sexualität und Krebs

Beitragvon admin » Mi 29 Apr 2020 9:29

Stefan Mamié, psychoonkologischer Psychotherapeut, Sexualtherapeut und Simone Dudle, Sexualberaterin, Master in Sexologie beantworten Ihre Fragen:

Haben Sie Fragen zu den Veränderungen an Ihrem Körper und Ihrem sexuellen Erleben? Sind Sie unsicher, wie Sie auf ihren krebsbetroffenen Partner/Partnerin zugehen können? Möchten Sie wissen, wie Lust und Sinnlichkeit wieder in Ihrem Leben Platz finden? Stefan Mamié und Simone Dudle beantworten bis am 7. Juni 2020 Ihre Fragen.
Auf der Startseite des Forums finden Sie mehr Informationen sowie den Link zum Formular.

An dieser Stelle werden Ihre Fragen und die Antworten von Stefan Mamié und/oder Simone Dudle laufend anonym aufgeschaltet.

Diese Antworten sind eine allgemeine Stellungnahme. Sie können nicht die persönliche Beratung durch eine qualifizierte medizinische Fachperson ersetzen. Soweit in einem Beitrag bestimmte Ärzte, Ärztinnen, Behandlungseinrichtungen oder Produkte genannt werden, dient dies nicht der Werbung oder stellt eine Empfehlung dar, sondern ist lediglich als Hinweis auf weitere Informationsquellen zu verstehen.

Einige Fragen und Antworten wurden in eine andere Landessprache übersetzt. Sollten Fragen oder Unklarheiten auftreten, wenden Sie sich bitte an die Fachberaterinnen vom Krebstelefon. Kostenlose Telefonnummer 0800 11 88 11 oder per E-Mail an helpline@krebsliga.ch .

Freundliche Grüsse
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Kein Verlangen nach Geschlechtsverkehr

Beitragvon admin » Di 5 Mai 2020 15:58

Guten Tag
Ich bin eine 47-Jährige Frau.
Bei mir wurde Brustkrebs (5 Tumoren) mit Chirurgie, Chemotherapie und Radiotherapie behandelt.
Seit 4 Monaten nehme ich Tamoxifen.
Ich habe kein Verlangen mehr nach Geschlechtsverkehr mit meinem Mann und die Situation ist ziemlich schwierig für mich.
Was kann man machen? Ich habe 3 Sitzungen bei einem Sexualtherapeuten gehabt. Er meint/sagt, alles sei gut bei mir.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort
Freundliche Grüsse
Silvia

Antwort von Simone Dudle
Liebe Silvia

Sie schreiben von vielen verschiedenen Therapiemethoden, welche bei Ihnen zur Behandlung des Brustkrebses angewandt wurden und noch angewendet werden.
Jede einzelne Behandlungsmethode kann Auswirkungen auf das Körpergefühl, die Scheidenflora, die Wahrnehmung von (Schmerz-)Empfindungen und die sexuelle Lust haben. Bei einem so vielseitigen Therapieangebot mit grossen Nebenwirkungen auf die Sexualität, ist es kaum erstaunlich, dass Ihr Verlangen sich zur Zeit verabschiedet hat.
Könnte es sein, dass der Sexualtherapeut von dieser häufigen und erklärbaren Reaktion auf die Behandlungsmethoden gesprochen hat, als er meinte, alles sei gut bei Ihnen?

Das fehlende Verlangen auf Geschlechtsverkehr stellt für Sie eine schwierige Situation dar. Ist dies schwierig für Sie selber, für Ihren Mann oder in Bezug auf die gewohnte Sexualität als Paar?
Vielleicht hat der Geschlechtsverkehr für Sie nach Ihrer Erkrankung eine andere Bedeutung bekommen und oder andere Bedürfnisse wie Nähe, Geborgenheit, Schutz, Zärtlichkeit, etc. rücken in den Vordergrund und verlangen, vermehrt gesehen zu werden?
Das Verlangen nach Geschlechtsverkehr kann man leider nicht einfach so machen.
Es geht mehr darum, herauszufinden, welche Sexualität und welche Formen von sinnlichen Begegnungen nach der Erkrankung zu einem passen. Und wie Genuss mit allen Sinnen neu eingeladen werden kann. Was wäre für Sie aktuell eine entspannte, wohltuende und genussvolle Begegnung mit Ihrem Mann, ganz unabhängig von Geschlechtsverkehr?

Krebs verändert das eigene sexuelle Verlangen und die sexuellen Bedürfnisse. Dadurch gibt es die gewohnte, alte Paarsexualität so nicht mehr. Das ist eine Herausforderung für beide Seiten. Umso mehr ist ein offener Austausch mit dem Partner wichtig, um gegenseitig zu erfahren, wo der andere sich körperlich und emotional nach der Erkrankung befindet. Dann kann man als nächsten Schritt zusammen schauen, wie man die gemeinsame Sexualität, welche weit mehr ist als der Geschlechtsverkehr, neu gestalten will.
Solche Gespräche können anspruchsvoll sein, und vielleicht bietet es sich dann an, diese in Begleitung durch eine Sexo-Onkologische Fachperson zu führen. Wichtig erscheint mir hier, dass Sie sich mit Ihrem Anliegen gut aufgehoben und verstanden fühlen.

Eine Antwort per E-Mail kann nie alle persönlichen Aspekte Ihrer Frage ausreichend beantworten.
Es ist die Auseinandersetzung mit den eigenen sinnlichen Bedürfnissen und Wünschen, dem Adressieren an sich selbst und Ihren Mann und der Neugestaltung der Paarsexualität.
Sie haben bereits wichtige und mutige Schritte unternommen.

Gerne ermuntere ich Sie, weiter unterwegs zu sein für sich selbst und für eine zu Ihnen passende Sexualität im Heute.

Alles Gute!

Simone Dudle

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Erektions- und Orgasmusfähigkeit nach Prostataentfernung

Beitragvon admin » Mi 13 Mai 2020 15:06

Frage von Andreas:
Liebes Expertenteam

Ich hatte vor 7 Monaten eine operative Prostataentfernung wegen Krebs.
Eigentlich bin ich mit dem jetzigen Zustand ganz zufrieden, habe aber doch 2 Fragen:
Meine Erektion war vor der Operation hervorragend, und ist nun mittlerweile wieder recht gut, auch ohne Medikamente. Jedoch noch nicht wieder so stark, wie sie vor der OP war. Wird sich die Erektion weiter verbessern?
Eine Veränderung existiert beim Orgasmus. Die Erregung und das starke Gefühl beim Aufbau des Orgasmus ist eigentlich unverändert gut und stark wie vor der OP, jedoch ist der Orgasmus selbst dann sehr abgeschwächt und oftmals auch nichtexistierend. Wird sich das Orgasmuserlebnis weiterhin mit der Zeit verbessern?
Vielen Dank.


Antwort von Simone Dudle:
Lieber Andreas

Vielen Dank für Ihre beiden Fragen zur Unterstützung der Erektions- und Orgasmusfähigkeit nach einer Prostataentfernung vor 7 Monaten.

Die kleine wie auch die grosse Prostataoperation führen nahe an wichtigen Nerven vorbei. Auch wenn bei einem solchen Eingriff möglichst nervenerhaltende Techniken angewandt werden, können Nerven Schaden nehmen oder irritiert werden und die Durchblutung der Schwellkörper im Penis gestört werden. Irritierte Nerven können sich bis zwei Jahre nach der Operation erholen.
Da Nervenbahnen für die sexuelle Reizübertragung von Bedeutung sind, kann sich durch eine Operation das individuelle Orgasmuserleben stark verändern.
Je nach kleiner oder grosser Prostataoperation fliesst das Ejakulat nun in die Blase (retrograde Ejakulation) oder ist durch die radikale Drüsenentfernung nicht mehr in einem Erguss sichtbar (trockener Orgasmus). Diese physiologischen Veränderungen beeinflussen die Intensität des Orgasmuserlebens. Der Bezug zum Orgasmus nach einer Operation muss meist sowohl körperlich wie emotional neu gefunden werden.
Auch unabhängig von einer Erkrankung verändert sich altersbedingt bei Männern ab 45 die Rigidität, der Winkel der Erektion und das Orgasmuserleben. Hier kann es für Männer bedeutsam sein, den Unterschied zwischen Erwartungen, wie die Erektion, wie der Orgasmus sein müsste und der Realität zu akzeptieren.
Nicht die Konzentration auf die Erektionsstärke und den Orgasmus bringt Erfolg und Zufriedenheit, sondern das Geniessen der Sinnesempfindungen.

Das Wiederherstellen und Verstärken der Erektion braucht angemessenes Training. Ein solches Training beinhaltet Wahrnehmungs- und Empfindungsübungen mit dem Penis und dem ganzen Körper. Weiter unterstützt und verbessert ein gezieltes Beckenbodentraining unter Berücksichtigung der Bauchatmung und dem Einsatz von Körperspannung und Bewegung die Erektion und hat positive Auswirkungen auch auf das Orgasmuserleben.
Ein solches Training orientiert sich am Sexocorporel-Konzept. Es kann z.B. mit Hilfe des Übungsbuch für Männer "Klappt's?: Vom Leistungssex zum Liebesspiel“ von Michel Sztenc gelernt werden oder in einer Sexualberatung nach Sexocorporel.

Ganz nach der Maxime «Übung macht den Meister» will ich Sie ermuntern, in Ihre Sexualität zu investieren, um Freude und Genuss weiter in Ihr (orgastisches) Erleben einzuladen.
Weiterhin viel Zufriedenheit und neugieriges Üben!

Simone Dudle

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Wirkung der Chemotherapie auf die männliche Sexualität

Beitragvon admin » Mi 10 Jun 2020 12:39

Frage von Gilda:

Unterdrückt die Chemo (bei Prolymphozytenleukämie) und ihre Nebenwirkungen das sexuelle Verlangen und ist dies ein vorübergehendes Phänomen oder verändert diese Krankheit das Sexualverhalten dauerhaft?
Derzeit hat er keine morgendliche Erektion mehr. Er leidet auch an einer Hydrozele (ein mit Flüssigkeit gefüllter Raum um den Hoden herum), die er operieren lassen sollte.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich zur Problematik des mangelnden sexuellen Verlangens aufklären und mir auch sagen könnten, was ich meinerseits tun kann, um ihm zu helfen. Ich traue mich nicht mehr, mit ihm etwas auszuprobieren. Dies aus Angst, ihn in eine Situation des Versagens zu bringen.

Antwort von Stefan Mamié:
Liebe Gilda

Vielen Dank für Ihre Frage - Sie erkundigen sich bezüglich der Wirkungen einer Chemotherapie im Rahmen der Behandlung einer Prolymphozytenleukämie auf die Sexualität bei ihrem Mann.

Je nach chemotherapeutischer Substanz ist eine Beeinträchtigung der Libido, der Erregungsfunktion sowie der Orgasmusfunktion während einer Chemotherapie sehr häufig.

Sie beschreiben, wie sich in ihrem Sexualleben bereits Vermeidungsstrategien bei Ihnen und vermutlich auch bei ihrem Mann etabliert haben. Hier besteht bei betroffenen Männern tatsächlich oft ein ausgeprägtes Gefühl des Versagens, Selbstwertverlust, Verlust des Gefühls für die eigene Männlichkeit. Viele glauben, mit der Funktionseinschränkung für ihre Partnerin nicht attraktiv zu sein oder wollen bei ihr nicht eine Lust wecken, die sie dann in Ermangelung einer Erektion nicht befriedigen können. Darum verzichtet der Mann dann auch auf den Austausch von Zärtlichkeiten, woran die Partnerin oft mehr leidet als daran, dass gerade kein Geschlechtsverkehr möglich ist.

In vielen Fällen kommt die sexuelle Ansprechbarkeit nach Abschluss der Therapie nach und nach wieder zurück. Allerdings stehen manchmal die oben beschriebenen, inzwischen etablierten Vermeidungsstrategien einer Wiederaufnahme des Sexuallebens im Weg. Zudem haben sich sowohl der Patient wie oft auch die Partnerin durch das Lebensereignis persönlich verändert. Sexualität ist ja so persönlich und individuell, wie ein Fingerabdruck - d. h. durch eine persönliche Veränderung verändert sich meistens auch die Sexualität. Ein Paar kann dann oft nicht mehr auf die gleiche Sexualität zurückgreifen wie es von vor der Erkrankung gewohnt ist. Es braucht dann Neugier und eine Bereitschaft, auch unangenehme Gefühle wie Verunsicherung, Trauer, Scham zu durchleben sowie meist einen verbalen Austausch zur eigenen Befindlichkeit, um in der Sexualität gemeinsam wieder neue, stimmige Wege zu entdecken.

Die beidseitige Verunsicherung verhindert jedoch, sich auf diesen Weg zu begeben. Darum ist eine professionelle Begleitung in vielen Fällen sinnvoll und hilfreich. Wenn für Sie die Inanspruchnahme einer professionellen Unterstützung in Frage kommt, kann Ihnen die Krebsliga Ihres Wohnkantons bei der Suche nach einer geeigneten Fachperson behilflich sein. Von der Krebsliga Fribourg wird eine onko-sexologische Sprechstunde angeboten.
Weitere Informationen zu männlicher Sexualität nach Krebs finden Sie auch in der Broschüre “Männliche Sexualität bei Krebs“.


Mit den besten Wünschen an Sie beide und freundlichem Gruss

Stefan Mamié


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